Yo La Tengo, Live im Lille Vega, København, am 19. November 2013

Von Matthias Bosenick (25.11.2013)

Je mehr man von ihnen hört, desto unfassbarer ist es, dass Yo La Tengo es in den fast 30 Jahren ihres Bestehens nicht in den allgemeinen Avantgarde-Noise-Indierock-Pantheon geschafft haben. Auch live beweisen sie immer wieder, dass es dafür allen Grund gibt: Im stark erhitzten Lille Vega zeigten die drei Musiker die größtmögliche Stil-Bandbreite, zu der sie in der Lage sind, und das auch noch in gut drei Stunden, inklusive Pause. Sie waren sich selbst die besinnliche Vorband und gossen dann den Saal in Schweiß.

Die gemütliche Stadtparkkulisse auf der Bühne passte bestens zu der stillen und vornehmlich ruhigen Indierockmusik, mit der Yo La Tengo ihr Set eröffneten. Schon im entspannten Zustand breiteten sie ihre Stilpalette weit gefächert aus. Ihre Songs waren ebenso hypnotisch-einlullend wie 60’s-inspiriert wie punktgenau harmonisch-poppig. Besonders die teilweise flirrenden Gitarren ließen das Gehirn aussetzen und sich ganz dem Sound hingeben. So hätte es sogar das gesamte Konzert über bleiben dürfen, das tat gut, war ein angenehmer Kontrast zum Alltag und wärmte die Seele.

Doch nach einer halbstündigen Pause stöpselten die drei aus Hoboken, New Jersey, ihre Instrumente ein und bratzten los. Viel mehr erweiterten sie ihren bis dato gezeigten Stil-Horinzont eigentlich gar nicht, aber ihr Instrumentarium und die Intensität, in der sie es benutzten. Zu Gitarre-Bass-Schlagzeug gesellten sich Tasten- und Percussion-Instrumente. Sie spielten sich durch den Großteil ihrer Alben ab 1993, natürlich mit Schwerpunkt auf dem aktuellen „Fade“ (dessen „Ohm“ spielten sie in zwei Versionen in beiden Sets), inklusive der neuen Single „Super Kiwi“, die es nur auf dem Rerelease von „Fade“ gibt. Vor der Zugabe ließen sie das ohnehin schon ewig lange „Pass The Hatchet, I Think I’m Goodkind“ in einer mehr als doppelt so langen Version auf die Menge niedergehen: drei sich unablässig wiederholende Töne auf dem Bass, ein stoischer Beat und dazu beinahe physisch greifbares Gitarrengewitter. Insbesondere die Mischung aus akkurater Struktur und Fuzz zeichnet seit jeher den Indierock des Trios aus, abgesehen von den vielen anderen Blüten, die er so treibt. So ließen sich etwa die Cover-Songs kaum von eigenen Stücken unterscheiden. Zuletzt mischten Yo La Tengo eine Chill-Out-Version ihres wohl einzigen Hits zwischen die Fremdstücke: „Autumn Sweater“ läutete den abwechslungsreichen, hyperaktiven, krachigen, eruptiven, lauten, tanzbaren, besinnlichen und mit den diversen Wortbeiträgen der drei Musiker („Ich möchte sicherstellen, dass euch klar ist, dass dieses Lied nicht autobiografisch ist und ich die folgenden Inhalte nicht zur Nachahmung empfehle“, sagte James McNew, bevor er im Stück „Periodically Double Or Triple“ die Zeile sang: „Never wear a helmet when I’m riding a bike“) auch ausgesprochen witzigen Gig aus.

Wer dann noch mochte, ging auf eine der vielen auf die Stadt verteilten Wahlpartys – in ganz Dänemark fanden Kommunalwahlen statt, an einem Dienstag, ja. Die einen hatten mehr zu feiern, andere weniger, wie es bei Wahlen eben so ist. Die Enhedslisten beispielsweise feierten im Søpavillonen und verwandelten das Gebäude kurzerhand per roter Beleuchtung in eine Kremlkopie. Dort ging es mindestens so heiß her wie bei den sicherlich alt, aber nicht leise gewordenen Yo la Tengo.

Die Setliste:

Akustisch:
01. Ohm (Fade, 2013)
02. Two Trains (Fade)
03. Periodically Double Or Triple (Popular Songs, 2009)
04. Season Of The Shark (Summer Sun, 2003)
05. Pablo And Andrea (Electr-O-Pura, 1995)
06. The Point Of It (Fade)
07. Cornelia And Jane (Fade)
08. I’ll Be Around (Fade)
09. Tom Courtenay (Eklectr-O-Pura)

Elektrifiziert:
10. Stupid Things (Fade)
11. Super Kiwi (Fade Rerelease)
12. Stockholm Syndrome (I Can Hear The Heart Beating As One, 1997)
13. Styles Of The Times (Today Is The Day EP, 2003)
14. If It’s True (Popular Songs)
15. Before We Run (Fade)
16. Double Dare (Painful, 1993)
17. Sugarcube (I Can Hear The Heart Beating As One)
18. Ohm (Fade)
19. Pass The Hatchet, I Think I’m Goodkind (I’m Not Afraid Of You And I Will Beat Your Ass, 2006)

Zugabe:
20. I Heard Her Call My Name (The Velvet Underground)
21. Emulsified (Rex Garvin)
22. Autumn Sweater (I Can Hear The Heart Beating As One)
23. My Little Corner Of The World (Anita Bryant)

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