Was meine Freundin gerne sieht – die Serienkolumne: Toleranz ist ein Muskel, den man trainieren muss.

Von Onkel Rosebud

Meine Freundin mag den Schauspieler Florian Lukas. In der Serie „Die Wespe“ spielt er eine Frohnatur, den gefallenen Dart-Profi, Kleinganoven und Schnurrbartträger Eddie Frotzke, einen Typ, der sich auf keinen Fall mit dem Mittelmaß begnügen will und mit einer ordentlichen Portion verzweifelter Großmäuligkeit ausgerüstet ist, wie schon als Figur Ricco in „Absolute Giganten“. Aus dem Film von 1998 ist ein Zitat überliefert, welches mir tief aus dem Herzen spricht und wie folgt aus meiner Erinnerung abgerufen werden kann: „An der Stelle, wo es am allerschönsten ist, müsste die Platte springen, und Du hörst immer nur diesen einen Moment.“ Meine Freundin würde diese perfekte Vorlage, Szenen aus dem Leben aufleben zu lassen, wo die Platte hätte springen müssen, nutzen, um Yo La Tengo mit dem Song „Autumn Sweater“ als perfekten Hochzeitseinlaufsong zu nominieren.

In der Weihnachtsfolge 2021 hier auf KrautNick habe ich ja schon mal durchblicken lassen, dass der ehemalige Pub-Zeitvertreib Darts eine gewisse Bedeutung in meiner Familie hat. Heute wissen wir, Darts ist ein mentaler Sport. Wenn du den ausübst, bist nur du dein Gegner, niemand anders sonst. Und, du musst mit dir selbst Spaß haben und dabei mit permanenten Scheitern umgehen können. Darts ist immerfort Elfmeterschießen.

Das vermittelt „Die Wespe“, die jedoch viel mehr ist als eine Sport-Serie mit Retro-Charme im Westberlin der Achtziger. Im Grunde ist es eine romantisch-melancholische Beziehungskomödie mit jeder Menge Klamauk, einer Mischung aus „How to Sell Drugs Online (fast)“ und im Grunde allen Projekten, in die Arne Feldhusen je involviert gewesen ist. Guter Mann, der sich vom Schnittassistenten bis zum Erfinder der neuen Deutschen Comédie hochgedient hat. Seine Vita liest sich wie die Rettung des deutschen Fernsehens: „Ladykracher“, „Stromberg“, „Mord mit Aussicht“, „Der Tatortreiniger“, „Deutschland 86“ – nicht zuletzt wegen der Zusammenarbeit mit dem Schauspieler Bjarne Ingmar Mädel.

Die Serie hatte in Staffel 1, was jede überragende Serie hat: den einen ikonischen Moment, der in Erinnerung bleibt. Tony Soprano im Pool mit den Enten, die durch die Decke krachende Badewanne voller Gedärm in „Breaking Bad“, hier nun: der in Eddies Auge steckende Pfeil, das Ergebnis eines Duells mit dem Ziehsohn. „Bullseye“, kommentiert Eddie dazu. In Staffel 2 ikonisiert Meret Becker eine hervorragend sadistisch-hinterhältige Bewährungshelferin.

Zusammengefasst macht die Serie, auch durch ihren Soundtrack, einfach Spaß zu gucken. Das Drehbuch ist voll mit hervorragend prolligen Dialogen. Die richtigen Profis sehen ja nicht aus wie Top-Models. Sondern wie ganz normale Leute. Vielleicht können wir uns deshalb besser mit Darts identifizieren, weil es ein Volkssport ist und keine elitäre Sache.

Wie sagte Gabriel „Gaga“ Clemens aus Saarwellingen, der mit dem Kampfnamen „German Giant“ erstmalig als Deutscher ins Halbfinale der diesjährigen Darts-Weltmeisterschaft eingezogen ist, und eigentlich „Gabi“ gerufen wird, im Aktuellen Sportstudio am 14.01.2023 treffend: „Ich habe als Saarländer schon genug Probleme, Deutsch zu reden.“

Onkel Rosebud