Was meine Freundin gerne sieht – die Serienkolumne: Shakespeare im 21. Jahrhundert: Succession

Von Onkel Rosebud

Meine Freundin pflegt einen sehr entspannten Umgang mit Geld. Aber klar ist auch ihr schon mal in den Sinn gekommen, sich über dessen Beschaffung gern in Zukunft keine Gedanken mehr machen zu müssen. Also einfach reich sein und alle Probleme mit Kohle, Schotter, Mäusen, Kies, Asche, Kröten, Ocken, Penunzen, Piepen, Moneten, Zaster, Moos und Radatten zu lösen. Natürlich ist das so einfach nicht. Geld verdirbt bekanntlich den Charakter. Damit sind wir beim Thema dieses Aufsatzes und willkommen beim „Wir schwimmen in der Scheiße“-Komitee, bei der Familie Roy, die nicht nur reich, sondern stinkreich ist.

Angeführt wird diese Oligarchie vom Medienmogul und Tyrannen Logan Roy (Brian Cox), welcher ziemlich gut als Serien-Inkarnation von Donald Trump oder Rupert Murdoch taugt. Er führt die unsympathischste, selbstbezogenste, empathieloseste, snobistischste, vulgärste, versauteste, machtgeilste Arschgeigenfamilie der TV-Geschichte. Seine vier erwachsenen Kinder, der dümmliche Schwiegersohn und der naive Neffe sind durchtrieben, machtbesessen und intrigant, dazu noch arrogant und geldgierig. Keine handelnde Person der Serie „Succession“ ist auch nur ansatzwiese sympathisch. Logan glaubt, nur von Dummköpfen und Versagern umgeben zu sein, und deswegen nimmt er lieber alles selbst in die Hand. Seine daraus resultierende Unfähigkeit, die Zügel abgeben zu können, stellt die Ausgangssituation und den Funken für das Feuer der zahlreichen Fehden dar. Pausenlos wird versucht, sich gegenseitig und die ganze Welt zu betrügen, seinen jeweiligen Anteil noch größer werden zu lassen und der Hasslevel ist beständig am Anschlag, mal unterschwellig, oft aber auch frei heraus.

Die Serie ist schwer zugänglich. Bis zur 8. Episode der 1. Staffel ist das ziemlich langweilig mit uninteressantem Blabla um Wirtschaftsthemen innerhalb einer abstoßend vulgären Familie. Aber dann kommt Fahrt auf. Die eigentlich trockene Story vom Übernahmepoker eines Medienkonzerns wird zum spannenden Wirtschaftsthriller und die stereotypen Charaktere gewinnen immer mehr an Tiefe. Und im Finale der 2. Staffel entwickelt sich die Serie zu einem Meisterwerk im Zusammenspiel von Handlung, Musik, Charakteren, Schauspiel und Dialogen. „Succession“ ist in jeder Hinsicht herausragend. Ein fröhliches „Game Of Thrones“ im heute ohne nackig. Gespickt mit Intrigen, spannenden Konversationen, Verrat und Liebe. Superbem Drehbuch, großem Schauspiel, perfektem Timing, cleverer Inszenierung, einer tollen Balance zwischen Drama und Comedy und viel sarkastischem Humor.

Schlussendlich ist „Succession“ eine große Tragödie im shakespearesquen Ausmaß. Es geht um Kinder, die im Kern um nichts als die Anerkennung ihres Vaters kämpfen und sich dabei zu Grunde richten. Verlorene Seelen, große Egos und kleine Herzen, zynische Böswilligkeit. Großartige Schauspieler spielen diese ekligen Charaktere mit solcher Lust und Überzeugungskraft, dass man einfach nicht anders kann, als sich in die Story hinein ziehen zu lassen.

Aha muh muh,Onkel Rosebud

P.S. Leih jedem dein Ohr, doch wenigen deine Stimme. (William Shakespeare)