Was meine Freundin gerne sieht – die Serienkolumne: Fremdschäm-Komödien

Von Onkel Rosebud

Meine Freundin lässt manchmal eine unangenehm boshafte Menschenkenntnis durchblicken. Wahrscheinlich färben die dominanten Charaktereigenschaften von Paaren über die Jahre aufeinander ab. Heheh! Als sie mir neulich sinngemäß erklärte, dass Wahrheit in Beziehungen meistens ganz wenig mit Fakten zu tun hat, sondern eine Art gefühlte Wahrheit sei, hielt ich ihr vor, dass das Bernd Stromberg in der gleichnamigen Serie vor mehr als 10 Jahren auch schon so gesehen hat – unter satirischen Gesichtspunkten. „Lirumlarum, Pipapo“ antwortete sie, ich würde mit meinem popkulturellen Blödsinn-Wissen nur ablenken vom eigentlichen Problem.

Dabei kann man, wenn man Bernd Stromberg vorschiebt, mit Zitaten von ihm eigentlich alles zum Ausdruck bringen, was man normalerweise nicht zu sagen wagt und was heutzutage nicht mehr geht, weil man sich dadurch ins gesellschaftliche Abseits schiebt. Und das gilt für jeden Lebensbereich. Beispiel gefällig? „Arbeiten ist wie Sex in der Ehe: Am Anfang ist man bis in die Haarspitzen motiviert, doch nach einer Weile ist man froh, wenn es vorbei ist.“ Doch Ricky Gervais‘ Original von „Stromberg“, „The Office“, ist unübertroffen in Sachen Fremdschäm-Komödie mit boshafter Menschenkenntnis. Auch die Dramedy-Serie „Fleabag“ mit der großartigen Phoebe Mary Waller-Bridge spielt in dieser Liga und die deutschen Herr-Ulmen-Produktionen „Jerks“ und „Die Discounter“ können da mithalten.

Die Krönung zum Thema „Fremdschämen“ setzt allerdings die Serie „The White Lotus“ auf. Um das zu begründen, müssen kurz zwei Personalien geklärt werden. Zuerst Mike White: Er ist einer der kreativsten und lustigsten Drehbuchautoren Hollywoods, dazu eine LGBT-Ikone und politisch sowas von korrekt. Auf dem Höhepunkt seines umfangreichen Schaffens hat er diese Serie erfunden, geschrieben, produziert und Regie geführt. Die Kollegin, die dabei für das Casting verantwortlich war, hat Jennifer Coolidge engagiert, die in zwei Staffeln eine dauerverwirrte reiche Dame mit dramatisch-weinerlichen Attitüde sein darf – das Internet ist voll vom Hype um sie.

„The White Lotus“ ist ein echtes Machwerk, eine feinsinnige Beobachtungssatire für gesellschaftliche Komplexe, die auf kunstvolle Weise sich nicht nur auf Dramatisches oder Komödiantisches reduzieren lässt und dazu schön schwarzhumorig ist. Es geht um stinkreiche Menschen, die eine Woche in einem Luxus-Ressort verbringen, und was sie mit ihrem Ausbeutungsverhalten trotzdem mit den materiell deutlich niedrig gestellten Angestellten verbindet. Es geht auf stimulierende Weise um unangenehmen Selbstbetrug. Um Wahnsinn, Absturz, Glanz an der Oberfläche, Lug und Betrug. Es gruselt von vorn bis hinten, Doch nicht nur die Serie an sich ist gute Unterhaltung, sondern auch das ganze Drumherum.

Und außerdem spielt in Staffel 2 Michael Imperioli known as Christopher Moltisanti aus Sopranos mit.

Selten besser unterhalten wurde

Onkel Rosebud