Was meine Freundin gerne hört – die Musikkolumne: Analog ist besser.

Von Onkel Rosebud

Neulich im Plattenladen: Der Vinyldealer meines Vertrauens hat gerade, also 11 Uhr an einem Samstagvormittag, den Verkaufsraum der Öffentlichkeit zugängig gemacht. Er redet eigentlich nicht gern viel. Heute hat er aber einen guten Tag, weil er weiß, dass ich gleich fast 400 € ausgeben werde. Ich habe eine Sammelbestellung mit beinahe vergriffenen Ausgaben aufgegeben, für die er sein ganzes Können aufbieten musste, um diese zu besorgen. Und ich zahle in bar. Das lockert die Zunge. Wir fangen munter an zu plaudern und irgendwann erzählt er von Musikern, die in unserer Stadt aufgetreten sind und sich die Zeit zwischen Soundcheck und Auftritt damit vertrieben, in seinem Laden vorbeizuschauen. Weil sein Laden „irgendwie im Lonely Planet angepriesen wird“.

Aber bevor ich ausplaudere, was diverse Helden der Popkultur bei ihm gekauft haben, folgt ein kurzer Exkurs über die schreckhafte Spezies der Vinyl-Connaisseure.

In Plattenläden gelten eigene Gesetze. Und die können ziemlich einschüchternd sein, vor allem wegen des angsteinflößenden Personals. Deshalb: Grüße freundlich, wenn Du den Laden betrittst. Das gilt übrigens auch für alle anderen Lebensbereiche, weil – auf krautnick kriegen sie was gelernt – Regel Nummer 1 besagt: Wer ficken will, muss freundlich sein. Der grimmig schauende, immer irgendwie beschäftigt-tuende, meist ältere, unsportliche Mann hinter dem Tresen im Vinyl-Store ist ein kein verkanntes Genie, aber ein wandelndes Musiklexikon, und davon sollte der Plattenkäufer profitieren. Die nächste Regel besagt, behandle das Inventar der Verkaufsstelle, als wäre es Dein eigenes. Der Miesepeter von Verkäufer kann fühlen, ob Du seine Schätze wirklich sorgfältig in Augen- und Hörschein nimmst. Wenn Du in eine Schallplatte reinhören willst, fasse sie am Rand an. Die Definition von Rand ist, die Stelle der Platte, an der keine Rillen sind. Reiße nie eingeschweißte Hüllen auf. Der Tonarm des Abspielgerätes ist kein Minigolfschläger. Fang nicht an, die Slipmats abzunehmen, und vor allem: nicht scratchen. Nächste Regel: Feilsche nicht. Trotz aller Liebe zur Musik muss der Plattenhändler wirtschaftlich arbeiten und kann keine Preise wie auf Discogs aufrufen. Im unabhängigen Plattenladen zu stehlen, ist ungefähr so, wie einer alten Oma die Handtasche abzunehmen. Und vor allem, nimm‘ Dir Zeit. Du wirst sonst den Zauber dieses Ortes nicht verstehen. Komm‘ mit dem PVC-Junkie ins Gespräch. Dann wirst Du Platten kaufen, von denen Du noch gar nicht gewusst hast, dass Du sie haben willst.

Also neulich im Plattenladen, der gut aufgelegte Vinyldealer meines Vertrauens, nennen wir ihn Uwe, erzählt mir doch ernsthaft, dass eines Tages Bill Callahan alias Smog in seinem Laden stand. Er kaufte alle AMIGA-Platten, die Uwe an diesem Nachmittag vorrätig hatte. AMIGA, die Älteren werden sich erinnern, war das einzige Musiklabel der DDR und sollte die Bandbreite der populären Musik in dem Staat, den es zu Recht nicht mehr gibt, abdecken. Es waren um die 30 Stück und es ist eine schöne Vorstellung, wie His Billness, wie meine Konzertgehgruppe ihn heimlich nennt, Veronika Fischer, Frank Schöbel, Pankow, die anderen Bands oder Rosalilli für sich entdeckt. Oder auch nicht.

Eine andere Legende, Thurston Moore, enterte einst seinen Laden. Was hat er gekauft? Kurzes Quiz gefällig: A) Sarah Leander, B) Hildegard Knef oder C) Marlene Dietrich. Die Auflösung gibt es in der nächsten Ausgabe als P.S.

Killing in the name of Uwe, Onkel Rosebud