Schneider Collaborations – (Z)erpent/Corder – Jörg A. Schneider 2020

Von Matthias Bosenick (13.03.2020)

Nach dem Viererschlag 2018 veröffentlicht Schlagzeuger Jörg A. Schneider nun zunächst zwei neue Alben seiner Reihe Schneider Collaborations gleichzeitig auf Vinyl: eines mit dem Gitarristen (Z)erpent aus Taipeh und eines mit dem Gitarre- und Elektro-Experimentatoren Nathan Corder aus Oakland. Beide Zusammenarbeiten wurden auf verschiedenen Kontinenten getrennt aufgenommen – und beide drücken das Gefühl der Freiheit aus, die die Beteiligten sich damit erfüllen, dass sie sich im Grunde an keinerlei musikalisches Regulatorium halten. Schwere Kost, keine Hintergrundbeschallung, aber zutiefst beeindruckend.

Schneider (Z)erpent

Das Album mit Paul Lai alias (Z)erpent beginnt mit Gegniedel und Gerumpel und geht zunächst massiv an die Nerven. Das muss man aushalten, was die beiden da veranstalten, die völlige künstlerische Befreiung, das Loslösen von Regeln, Schemata, Struktur. Die Gitarre bratzt mal wie entfesselt und zirpt mal völlig filigran wie ein Schwarm Urwaldvögel, hat mal den Twang einer 50er-Rock’n’Roll-Surfgitarre, flirrt und schnarrt. Da zieht Lai alle Register seines Instruments, er arbeitet mit allen Effekten, Hall, Delay, übelster Verzerrung, clean. Schneider rumpelt dazu wie immer an seinem Schlagzeug, es klickert, klackt, rollt, zischt, rummst, donnert, scheppert, percussiert verhalten, alles durcheinander, gleichzeitig, nacheinander, der gemeinsam erzeugten Grundstimmung angepasst. Das Duo kann Lärm genauso wie Ruhe, unterlässt es aber, in Songstrukturen oder klare Rhythmen zu verfallen. Eher fühlt man sich an die musikalische Entsprechung eines abstrakten Gemäldes erinnert, höchstens noch an die ungenaue Darstellung einer extrem wilden Landschaft.

Die Aufnahmen entstanden separat in Taipeh und Hückelhoven, Schneider und Lai schickten sich ihre Spuren „über den Ozean“, so der Gitarrist. Erstaunlich, was für ein wildes Zeug dabei herauskommt. Zwei Seelen, die sich fanden: Der Schlagzeuger ist „endlich frei“, wie er sagt. Das gilt auch für die anderen Kollaborationen des früheren Noisecore-Vertreters.

Schneider Corder

Zum Beispiel die zweite Collaboration in dieser Rutsche, die mit Nathan Corder. Die klingt sogar gelegentlich nach der mit (Z)erpent, sobald Corder nämlich seine E-Gitarre malträtiert, aber da er sich hauptsächlich auf elektronische Experimente verlegt und mit seinem Kumpel Tom Weeks auch noch einem Alt-Saxophonisten etwas Raum gibt, ergibt sich zwangsläufig eine erhebliche Unterscheidbarkeit beider Alben.

Zunächst fällt auf, dass der erste Track noch am ehesten so etwas wie einen durchgehenden Rhythmus hat, aber darauf verlassen sich die beiden Kollaborateure nicht. Melodien fehlen auch hier, vielmehr bringen sie eher eine Geräuschwalze in Gang. Corder ging offenkundig bei Jimi Hendrix in die Gitarrenlehre, die ihm der Free Jazz verfeinerte. Mit elektronischen Mitteln wiederum generiert Corder die krassesten Sounds, wie man sie selbst in den von sich aus schon krassesten Genres kaum vernimmt. Einmal erinnert seine Musik an die IDM-Experimente von Aphex Twin, ein andermal an die Sorte Industrial, wie sie etwa Dirk Ivens oder Esplendor Geométrico erfanden, später sind 8-Bit-Sounds die Grundlage für einen Track, zwischendurch erklingt chilligster Ambient und so manches Mal empfindet man die Musik sogar als spooky. In vielen Momenten hält sich Schneider mit seinen Schlagzeugkaskaden sogar aus dem Sound heraus. Gemeinsam driften Schneider und Corder immer mehr ins Freie und fordern damit den Hörer heraus.

Auch dieses Album ist auf zwei Kontinenten aufgenommen, Corder und Weeks improvisierten in Oakland, während Schneider im heimischen Hückelhoven auf seinem Schlagzeug herumrollte. Es fasziniert, wie aus diesen Grundvoraussetzungen eine so sperrige und doch nachvollziehbare Musik entsteht.

Als wäre das nicht schon wieder genug, veröffentlichte Schneider nebenbei noch eine Collaboration mit Jack Wright und Evan Lipson, allerdings ausschließlich als Download, und hat zwei weitere LPs in Vorbereitung. Man möchte das alles haben, und man sollte es auch.