Ritual Tension – It’s Just The Apocalypse, It’s Not The End – Ritual Tension 2020

Von Matthias Bosenick (19.03.2020)

Beinahe aus heiterem Himmel tut sich das experimentelle New Yorker No-Wave-Trio Ritual Tension wieder zusammen, um ein neues Statement zu Zeit und Welt abzugeben: „It’s Just The Apocalypse, It’s Not The End“ lautet der Titel des ersten Albums seit den Achtzigern. Und es klingt, als wären weder Zeit noch Welt vergangen: schmutziger Fuzzrock, weitgehend unmelodischer Gesang, mitreißende Energie, unpoppige Strukturen bei gleichzeitiger Eingängigkeit der Songs – ein fettes Ding!

Wer solche Musik macht, hat vermutlich ein wenig ungute Laune. Sänger Ivan Nahem bellt, bölkt, rotzt, grantelt, Marc Sloan (in Braunschweig auch bekannt durch seine Zusammenarbeit mit blackhole-factory) bedient wechselnd Bass und Gitarre und zaubert an ihnen Fuzz, Slides, Gebratze, Groove und überraschenderweise hübsche Melodien, und Michael Shockley treibt die beiden mit einem stürmischen Schlagzeug an. Sämtliche Instrumente sind fettestens produziert, der Gesamtsound beeindruckt mit dem Druck, den er ausübt, das ganze Album strotzt nur so vor energischer Energie und Kraft, alles groovt wie Sau. Merkwürdigerweise sind die Song bei aller Unstruktur auch noch eingängig.

New York war in den Siebzigern und Achtzigern Keimzelle für so manche musikalische Nischenspielart, die No Wave mit Vertretern wie Lydia Lunch oder James Chance war eine davon. Disharmonien, Noise und ungewöhnliche Strukturen waren markante Elemente der Musik, und die greifen auch Ritual Tension hier wieder auf. An anderen Stellen dieses Albums erinnert die Musik der drei an alte Veröffentlichungen von den Swans oder The Birthday Party, manchmal auch an die White Stripes. Eingestreute Effekte wie geslidete E-Gitarren oder die zweimal von Emilio „Zef“ China gespielte Geige bereichern den Sound. Grundsätzlich sind hier Marken wie Avantgarde oder Experiment also sowas von angebracht, oder auch: Hauptsache Lärm.

Das Trio Ritual Tension entwickelte sich aus diversen Wurzeln der New Yorker Subkultur, mit Seitenarmen in Richtung Norman Westerberg, Swans und unzähligen anderen Undergroundbands. Inder zweiten Hälfte der Achtziger veröffentlichten sie zwei Studioalben und ein im CBGB‘s aufgenommenes Live-Album sowie eine EP mit einer dekonstruierten Version von „Hotel California“ von den Eagles, eine Reminiszenz an die Herkunft einiger der Musiker (auf dem neuen Album zerlegen sie übrigens „Manic Depression“ von Jimi Hendrix). Nachdem das Trio 2017 bei dem Album „The Kiss“ des umfangreichen Projekts ex->Tension temporär wieder zusammenkam, steht nun also auf Initiative von Sloan das Reunionalbum parat; zunächst als Demo, eine Vinyl-Veröffentlichung ist angedacht. Und es klingt nicht so, als wären seit dem Split mittlerweile 30 Jahre vergangen. Anti-Rock’n’Roll!

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