Point Whitmark (41) Rückkehr aus dem Totenland – Decision/Sony 2019

Von Matthias Bosenick (15.05.2019)

Der Titel erscheint programmatisch, dabei dürfte der schon vor der mehr als vierjährigen Pause festgestanden haben, denn so lang lag diese Episode offenbar auf Halde: Aus Gründen, die niemand kennt, veröffentlicht der mimosische Serienboss Volker Sassenberg endlich die langerwartete „Rückkehr aus dem Totenland“ seiner Hörspiel-Serie Point Whitmark. Hier lohnt sich das Warten zwar überdeutlich mehr als bei den konkurrierenden Drei Fragezeichen, aber über den gehobenen eigenen Durchschnitt kommt dieser Jugendgruselkrimi nicht so richtig hinaus. Trotzdem und überhaupt: Willkommen zurück! Mal sehen, für wie lang.

Man hat es bei Point Whitmark mit einem erklärten Gegenentwurf zu den Drei Fragezeichen zu tun, das belegen schon die Parameter: Drei Jungs ermitteln aus einem fiktiven US-amerikanischen Küstenstädtchen heraus an unheimlichen Fällen herum. Ungefähr zum Zeitpunkt des rapide absinkenden Niveaus der Satzzeichen grätschte Sassenberg jenen mit seiner Ostküstenalternative zu Rocky Beach in die Beine. Point Whitmark macht vieles besser, ist aber auch nicht vor Fallen gefeit. In der vierzigfolgigen Historie gab es manche Tiefpunkte, mit Witzen über Fäkalien etwa, aber auch so viele Höhepunkte, dass sie denen der Drei Fragezeichen auch mit den erheblichen Veröffentlichungspausen zahlenmäßig weit voraus sind.

Jay, Tom und Derek, die jugendlichen Betreiber des Radiosenders Point Whitmark, sehen sich dieses Mal damit konfrontiert, dass der Opa einer Freundin aus dem Totenland zurückkehrt: 41 Jahre zuvor verursachte der einen Unfall mit dem Schulbus, und heute dreht dieser historische Bus wieder seine Runden in den Straßen der Stadt, die heißt wie der Sender. Mit anästhetischem Gas gefüllte Luftballons, das etwas zusammenhanglos eingebrachte Thema Transsexualität und dubiose Unfallverletzte von damals ergänzen die Wiederkehr des Toten, am Ende löst sich alles in einem herrlichen Fundort auf.

Kanalisation und Luftballons lassen an Stephen Kings „Es“ denken, ansonsten bleibt Point Whitmark hier sehr bei sich und greift auch auf Schauplätze älterer Episoden zurück; die Stimme der Dementen ist dabei etwas zu nah an der vergleichbaren Frauenstimme aus „Das Feld beim Krähenhaus“ nur zwei Episoden zuvor. Einmal mehr schießt Sassenberg hier auch gegen die Drei Fragezeichen, indem ein ansonsten von Tante Mathilda kredenzter Kirschkuchen eine nicht unrelevante Erwähnung findet. Seitenhiebe wie diese hat Point Whitmark dabei gar nicht nötig, die Serie sollte vielmehr für sich selbst stehen, denn das Potential dazu ist mehr als offensichtlich. Dazu tragen auch die Eigenheiten bei, die Sassenberg den drei Radiojournalisten andichtete, ebenfalls analog zu den Drei Fragezeichen und gegensätzlich zu den eindimensionalen TKKG: Jay ist schlau, aber der Brillennerd mit den ausgedachten Sprichwörtern. Tom ist gebildet und wie Bob eher blass. Derek ist in jeder Hinsicht der Punk der Serie: Bassist in einer entsprechenden Band, verfressen und respektlos den allgemeinen Hörspielserienregularien gegenüber. Die jugendserientypische Aussage etwa, ein Rätsel sei unlösbar, kontert er mit einem „Und wozu ist es dann gut?“. Damit zerlegt Sassenberg zwar das Genre, füttert es aber gleichzeitig mit begehrlichen Geschichten.

Dabei offenbart sich jedoch auch eine Schwierigkeit dieser Serie, denn man muss ihr enorm genau zuhören, weil einem sonst Details verlorengehen. Manche Ortsangaben und Situationsveränderungen erwähnt der Erzähler wie nebenbei, und wenn man die verpasst, weil man gerade andere Elemente der Handlung im Vordergrund hat, bekommt man Schwierigkeiten, sich die Geschehnisse und Begebenheiten räumlich vorzustellen. Auch die unausgeglichene Balance zwischen Aufwand und Nutzen der Verbrecher ähnelt denen bei den Drei Fragezeichen. Aber das alles ändert nichts an Spannung, Humor und Action der Serie, und die fette Produktion ist der betulichen Tonbandsoundsammlung von Heikedine Körting längst überlegen.

Was Sassenberg nun dazu bewegt, nach all den Jahren Pause die verklemmte Schublade doch noch zu öffnen, allen ach so bösen Miesmachern zum Trotz, offenbart er so wenig wie seine sonstigen Beweggründe. Er ist nicht fandienlich in seiner Intransparenz. So liegt parallel auch seine andere Erfolgsserie Gabriel Burns brach, von Abseits der Wege einmal ganz zu schweigen. In spärlichen Interviews lässt er seine Verletzbarkeit einer Kritik gegenüber durchscheinen, erzählt aber auch vollmundig von großen Plänen, die er nie einhielt. Bis zu dieser Veröffentlichung. Im Booklet ist auch schon die Episode 42 angekündigt, „Der Ruf des Wellengängers“, die laut Amazon am 26. Juli erscheinen soll. Dabei dürfte es sich Gerüchten zufolge ebenfalls noch um eine Schubladenfolge handeln – und ob es danach mit Sassenbergs Serien überhaupt weitergeht, ist unklar. Auch von Gabriel Burns soll Vorproduziertes existieren, schließlich endet Folge 45 mitten in der Handlung, und dabei handelte es sich schon um den fünften Teil eines angekündigten Vierteilers. Keine weiteren Fragen.