Opeth – In cauda venenum – Moderbolaget/Nuclear Blast 2019

Von Matthias Bosenick (08.11.2019)

Man möchte mit Wane Hussey rufen: „Give me ‚Deliverance‘!“ Aus den schwedischen Black-Death-Prog-Metallern ist eine Dudelcombo geworden, deren Pseudo-Retro-Rock wie ein Verbund aus Plastik und Pappe klingt. „In cauda venenum“, „Das Gift ist im Schwanz“, ist das inzwischen vierte Album, das vom Ur-Sound der Band in diese Richtung abweicht, und damit das vierte Argument, sich anderen Metalkünstlern zuzuwenden oder eben das Altwerk zu bevorzugen. Dieses Album nervt.

Warum überhaupt Retro? Okay, weil es sich gut verkauft, aber einfallsreich ist es nicht, seine Karriere auf bereits entwickelte Sounds zu gründen. Damit mag man auf Altstadtfesten Erfolge feiern sowie bei Nachgeborenen oder Altfans, die Deep Purple, Led Zeppelin oder die klassischen Progbands im Geiste neu erleben wollen. Wer Opeth indes wegen Opeth mochte, kann sich nur mit Bestürzen abwenden: Davon ist nämlich fast nichts mehr übrig.

Fast nichts: Die Songs haben komplexe Strukturen, das war schon immer so, das macht Opeth aus. Wo sie aber früher nach intensivierter Pixies-Manier zwischen melancholischer Wehmut und brutalster Härte herumsprangen, fallen die Härteteile nun zugunsten von Gedudel weg. Das geht beinahe in die Schlagerrichtung, was hier passiert, mit Orgel, Streichern (übrigens arrangiert von Altprogger Dave Stewart) und „Ah“-Chören. Sobald die Band dann doch noch mal eine vielversprechende Richtung einschlägt, springt die Beliebigkeit in die Bresche und rettet die Mucke vor der gestreckten Pommesgabel. Und das auch noch bei unterirdischem Sound.

Von wegen, „Das Gift ist im Schwanz“, Sänger Mikael Åkerfeldt hat nicht einmal mehr Eier. War die Abwesenheit von Growls auf „Damnation“ noch logisch und vor allem musikalisch nachvollziehbar, wirkt sie seit „Heritage“ wie die Erklärung seines stimmlichen Unvermögens. Dafür trägt er die Texte erstmals auf Schwedisch vor, was ganz freundlich klingt und sicherlich auch älteren Alben gut gestanden hätte. Die Idee ist also fein, aber der Kontext nicht. Und offenbar traut die Band der Idee selbst nicht weit genug über den Weg, denn sie veröffentlicht das Album wahlweise parallel oder als Bonus-Tonträger auch noch auf Englisch; bei Kraftwerk lernen heißt abzocken lernen, denn künstlerisch hat das keine Relevanz.

Mehr gibt es dazu auch kaum zu sagen. Im dreißigsten Jahr ihres Bestehens machen Opeth seit zehn Jahren Scheißmusik, das macht immerhin neun gute von 13 Alben. Und Opeth gehen Hand in Hand mit Tool, einer ebenfalls progressiven Band gehobener Härte, die mit ihrem neuen Output langweilt. Mal gucken, was gerade im Black Metal so abgeht, da trauen sich die Musiker noch etwas. Aber was hilft es: Die Charts geben Opeth leider Recht.