Nils Koppruch – Live beim Festival Theaterformen in Braunschweig, Gartenhaus Haeckel, am 7. Juni 2012

Von Matthias Bosenick (08.06.2012)

Was fehlte: Die tanzenden Theaterleute vor der Bühne. Eigenartig eigentlich. So blieb es bei dem großen Abstand zwischen Publikum und Künstlerduo – Gitarrist Nils Koppruch hatte sich einen Bassisten zur Seite gestellt –, der daraus resultierte, dass sich der bequeme Teil der Zsuchauer mit Klappstühlen fernab der Bühne niederließ und so jedem anderen den Mut nahm, sich davorzustellen. Diese Distanz blieb auch mental bis zum Schluss des einstündigen Konzertes erhalten: Bis auf einige Fink-Fans, die an ihren lauten Begeisterungsrufen zu erkennen waren, sobald die ersten Zeilen vertrauter Lieder oder die letzten Töne der Songs erklangen, schienen die Braunschweiger nur – immerhin – leise oder sich unterhaltend an dem Auftritt interessiert zu sein, nur bedingt jedoch jugbelnd oder lautstark applaudierend. Einige verließen das stimmungsvolle Konzertgelände gar vorzeitig, weil ihnen die Musik, wie sie sagten, zu langweilig war. Koppruch gehört nun mal konzentriert gehört: Seine Sprache lässt sich nicht ad hoc entschlüsseln, und dabei hat er doch so viel zu sagen.

Koppruch arbeitet mit Bildern und Analogien, bezieht sich auf Mythologisches, Biblisches und Redewendungen und fügt alles zu sehr emotionalen Betrachtungen zusammen. Oft geht es um Beziehungen, häufig um die Position des Einzelnen in der Masse und das Gefühl, das man hat, wenn man das Weltgeschehen betrachtet und sich ausgeliefert und hilflos vorkommt. Koppruch sagt dem Hörer dann: Du bist nicht allein. Zumindest kann das eine mögliche Interpretation sein. Das ist das Schöne bei seinen Texten: Der Nebenmensch kann schon wieder etwas völlig Anderes darin erkennen als man selbst, bestenfalls sich selbst. Oder eben auch gar nichts und gehen. Es hilft, die CDs öfter zu hören, weil man die Texte mit jedem Durchlauf mehr für sich entschlüsselt, aber das ist bei einem Liveauftritt naturgemäß etwas schwierig.

Aber dann gab es ja auch noch Musik. Koppruch hatte seine Akustikgitarre dabei, machte aber trotzdem keinen Singer-Songwriter-Trällermüll. Mit dem Fuß bediente er den Schellenkranz und um den Hals trug er wie Bob Dylan ein Mundharmonikagestell. Der Bass seines Compagnons war elektrifiziert. Wie schon bei Fink und Koppruchs Solo-Alben hatte die entspannte Rockmusik einen Country-Einschlag, nur dass von der Rockmusik bei der Instrumentierung bis auf den Rhythmus nicht mehr viel übrig blieb. Dem Zuhörenden fehlte dennoch nichts, schließlich hatten sie es mit Virtuosen zu tun; jedoch lud die musikalische Entspannheit dazu ein, sich nebenbei zu unterhalten oder das Konzert eben auch langweilig zu finden.

Koppruch kündigte seinen Bassisten Lars Paetzelt als seine Band „Der Wald“ an: „Ich stehe also mit einem Baum auf der Bühne.“ Als Humorbolzen entpuppte sich der Hamburger indes nicht, als galanter Conferencier auch nicht. Das machte ihn aber nicht weniger sympathisch; im Gegenteil: Ein Sänger, der sich aufs Singen konzentrierte, war nicht nur deshalb eine willkommene Abwechslung, weil Witze ohnehin nicht angebracht gewesen wären, sondern auch, weil Koppruchs Texte eben wundervoll sind, ohne direkt aufs Lachen abzuzielen. Ab und zu versuchte Koppruch sich dann doch am Witz: „Das nächste Lied ist das älteste, was wir heute Abend spielen.“ Es sei seinerzeit für den Film „Quo Vadis“ verfasst und dann nicht im Soundtrack untergebracht worden. Das Duo spielte einige Akkorde, dann unterbrach sich Koppruch: „Andere Geschichte“, sagte er und erzählte eine andere Geschichte zu dem Song.

Wie bei allen Musikern, die wahlweise lange nach ihrer Hit-Zeit oder nach dem Aus einer beliebten Band solo unterwegs sind, wollen die Fans das Altvertraute hören. Entsprechend groß war die Freude, wenn Koppruch Fink-Songs anstimmte. Dabei sind seine Soloalben von ebenbürtiger Qualität. „Nicht die Bienen“ etwa vom Debüt „Den Teufel tun“ ist nicht weniger toll als „Er sieht sie an während sie ihn ansieht und er sieht zur Tür“. Beide Songs speilte Koppruch übrigens. Und zum Schluss als vierte Zugabe – ein weieter Witz –: „Oh, du lieber Augustin“.

Die Musik verklang, das Licht verlosch, die Instrumente verschwanden von der Bühne, doch noch eine halbe Stunde später änderte sich die Anordnung des sitzenden und stehenden Publikums nicht, höchstens, um für den Getränkenachschub zu sorgen. Keine übliche Abwanderung setzte ein, der Großteil blieb einfach da und genoss die Nacht mit Freunden, Vertrauten und Fremden. Ohne das Festival Theaterformen wäre man in dieser Konstellation zwar nicht zusammengekommen, man brauchte es und damit Koppruch dann aber auch nicht mehr, um zusammenzubleiben. Erst der wie angekündigt gegen Mitternacht einsetzende Regen trieb die Gäste langsam auseinander. So schön ist es in Braunschweig. Koppruch war klasse, die Gespräche aber auch.

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