Melvins – Live im Logo, Hamburg, am 7. Juni 2016

Von Matthias Bosenick (08.06.2016)

Ist das noch Metal? Ach nee, war’s ja nie. Als Trio knüppeln die Melvins das Logo trotzdem in Schweiß und Boden, mit einer Stilvielfalt, wie sie andere im Leben nicht mal zu Gehör bekommen. Sludge und Punk und vieles dazwischen. Kein Wunder, dass es irgendwann selbst im tosendsten Moshpit nach Kiffe riecht: geht beides. Eines nur lässt den Zuschauer etwas unberührt: Es kommt kein Kontakt zwischen Band und Publikum zustande, das Konzert endet kommentarlos nach CD-tauglichen 80 Minuten. Trotzdem: geil gewesen.

Die ersten zehn Minuten lang zeigen die drei Uraltmusiker, was sie können, indem sie zu einem langsamen Basslauf per vermeintlichem Zufallsprinzip ihre Instrumente malträtieren. Dieses vermeintlich Zufällige zeichnet die Musik der Melvins ohnehin aus: Man kann oftmals nur schwerlich mitnicken oder vorahnen, wann welcher Break kommen könnte. Die Musik ist somit lebendig und fordernd und unterscheidet sich damit sogar von denen, die einzelne Passagen, die im Melvins-Kosmos vorkommen, zu ihrer Kernkompetenz erhoben haben. Heißt: Die Melvins machen besseren Sludge, besseren Riffrock, besseren Punk, besseren Stoner, besseren Psychedelic, selbst besseren Poprock. Eigentlich machen sie sogar besseren Metal, aber uneigentlich ist das, was sie machen, ja gar kein Metal, trotz aller Heavyness.

Weil sie es können, platzieren sie ihre Tracks dicht an dicht, und damit auch die verschiedenen Stile. Hat man sich gerade auf den entspannten Hip-Hop-Beat im Riffnicker eingelassen, bricht schon die nächste Punksalve los. Keine Atempause, auch keine Ansage, bis auf King Buzzos launiges Wortspiel, dass er nicht aus Hamburg sei, sondern aus Cheeseburg. Zum Schluss treten alle drei an die Bühnenkante und skandieren einen Acapellasong, Abgang und aus, keine Zugaben. Nuja, war ja auch schweißtreibend genug.

Erzählt man den Leuten, dass man zu den Melvins gehen wird, zum ersten Mal im Leben (und das 2016), bekommt man viele Fragen mit: Spielt King Buzzo immer noch mit dem Rücken zum Publikum? Haben sie wieder zwei Schlagzeuger dabei? Wird es wieder so geil wie letztes Mal? In allen Fällen lautet die Antwort „nein“: King Buzzo steht nur dann abgewandt auf der Bühne, wenn er keinen Einsatz hat oder die Arbeit des Bassisten im Vordergrund steht. Es gibt nur ein Schlagzeug, bedient von Fast-Urmitglied Dale Crover. Und glaubt man den Umstehenden, war es zwar geil, aber letztes Mal natürlich geiler.

Ist ja egal, wie geil es war, so lange es geil war. Hits gibt’s keine, der Rezensent erkennt keine seiner Favoriten aus den Neunzigern wieder. Irgendwann verlor er den Überblick über das Melvins-Oeuvre, weil die ja im Vierteljahrestakt neue Musik herauszubringen scheinen. Macht aber nix, die Mucke überzeugt auch ohne Hits und Bekanntes; vertraut ist sie ja dennoch. Außerdem ist es ja schon hinreißend genug, die Jungs aus Seattle (stilecht leitete „The Star-Spangled Banner“ von Jimi Hendrix die Show ein; am Vortag coverten sie in Amsterdam die anderen Seattle-Helden Malfunkshun und Green River) überhaupt mal live zu sehen. Moppelchen King Buzzo, die im Wortsinne graue Eminenz, spielt in schillernder Jacke und mit Halstuch, während das Logo vor Schweiß zerfließt, mit der erblichenen Korkenzieherfrisur, deren Bewegungen im stets roten Gegenlicht aussehen wie eine Mischung aus Seeanemone und Slideshow Bob. Dale Crover behandelt sein Schlagzeug, als wäre es das leichteste von der Welt, und unterbricht sein Spiel an Stellen für Breaks, an denen niemand anders je wieder in den Song gefunden hätte. Der gegenwärtige Bassist heißt Jared Warren und fügt sich mit einer Präzision ins Bandgefüge ein, die die abenteuerlichsten Spielereien zulässt. Was will man mehr! Nicht viel, aber eines weniger: das Fiepen im Ohr am nächsten Tag. Obwohl, ein schönes Souvenir.