Marcel Pollex – In höflicher Ablehnung – Verlag Andreas Reiffer 2015

Von Matthias Bosenick (13.04.2015) / Auch erschienen auf Kult-Tour – Der Stadtblog

„Höflich“ ist gelogen, die „Ablehnung“ hingegen quillt tatsächlich aus allen Zeilen, die Marcel Pollex zu kleinen Texten formt und in diesem, seinem ersten, Buch versammelt. Spürbar angewidert befasst sich Pollex mit den Themen des Zeitgeistes, und dies auch oftmals mit dessen Mitteln. Er verabscheut die popkulturellen, mainstreamigen Inhalte und Bewegungen, doch um sich auf diese seine Weise mit ihnen auseinanderzusetzen, muss er sie konsumiert haben, was bei seiner Haltung wahrlich kein Vergnügen gewesen sein kann. So bewegt er sich zwar einerseits auf massentauglichen Feldern, dies allerdings in einer Gangart, die das Gegenteil von massentauglich ist. Das macht es schwierig, eine Zielgruppe zu finden, denn wer zwar seine Haltung teilt, interessiert sich aber nicht zwingend für die Ziele seines Spottes, und wer dies doch tut, wird seinem Werk vermutlich eher nicht begegnen. So erfreut man sich als Leser (und Hörer, dem Buch liegt ein Download-Code bei) an der Sprache, derer sich Pollex befleißigt und die für sich eine wesentliche Besonderheit seiner Arbeit ausmacht.

Pollex mag die Welt nicht. Besonders nicht die zivilisatorischen Errungenschaften. Wie sie in Lifestylemedien, im Unterhaltungsfernsehen, im Feuilleton, auf Emailanbieterstartseiten und beim Brunch diskutiert, ausgewalzt, dargestellt und formuliert werden. Das stinkt ihm, und seinem Unmut macht er Luft, indem er genau diese Dinge lächerlich macht und sie in ihrer eigenen Suppe so zerkocht, dass ihre Ingredienzen nicht mehr verleugnen können, wie grotesk sie tatsächlich sind. Daraus ergibt sich ein Schreibstil, mit dem Pollex das Absurde spiegelt; aus dem wiederum schöpft er den nötigen Humor, mit dem man den ganzen lächerlichen Kram nur ertragen kann.

Seine Ziele findet Pollex im Kleinen wie im Großen: Selbst über die Rosine lässt er sich aus, in Analogie zu TV-Menschen wie Günther Jauch, Inge Meysel und Guido Knopp (den er „Knoop“ schreibt), oder über die Salzstange, an der er die Motivation des Gastgebers ableitet, der sie anbietet, oder über das Brunchen. Er entlarvt Akademikerpädagogik, die Sprache von Politikern, Künstlern und Journalisten, selbst Lifestyle-Themen wie Veganismus, Nichtrauchen, Kreativitätsurlaub, Markenkleidung und was ihm noch so vor die Flinte läuft.

Nicht nur das Vokabular passt er ans Sujet an, indem er sie für sich bedient und Wörter benutzt wie passiv-aggressiv, anyway und Imperialistengetränk. Tiefer greifend sind seine Redundanzen und Loops, er wiederholt ständig ganze Sätze, die er den Protagonisten oder dem lyrischen Ich in den Mund legt, und führt damit ihre Inhaltslosigkeit vor. Das Ganze durchsetzt er mit großartigen Ideen, etwa in der Rubrik „Gute Nachrichten“, die er sich über Promis ausdenkt, wie jener, dass in einer weiblichen Sherlock-Holmes-Verfilmung Katie Holmes Dr. Watson und Emma Watson den Detektiv spielen würde. Oder die Idee von einem Film namens „’Die große Abzocke‘, der nicht existiert und dreißig Euro Eintritt kostet“ (aus „Brachmann spricht“). Doch besteht Pollex‘ Sprache nicht aus der reinen Kopie; gerät er in seinen eigenen Fluss, treibt er darauf in einem angenehmen Stil hin. Da wird dann aus dem Zornnickel ein eigenständiger, lesenswerter Fabuleur, und das passiert sogar gar nicht so selten.

Wie sehr ihn diese Welt nun anwidert, kann man als Buchkäufer sogar hören: Pollex trug ausgewählte Texte (und auch solche, die es nicht ins Buch geschafft haben) bereits auf seiner Braunschweiger Lesebühne „Kopf & Kragen“ vor, Mitschnitte davon sind in einer Zip-Datei gebündelt, die der Buchkäufer per beigelegtem Code aus dem Internet herunterladen kann. Zwei Dialogtexte sprach Pollex extra dafür noch ein sowie seine Gedanken dazu, sich auch bei einem Hörbuch nicht an Konventionen halten zu wollen.