Kurt Vile – Back To Moon Beach – Verve Records 2023

Von Guido Dörheide (12.12.2023)

Manchmal ist es schön, wenn ein Sänger/Songwriter/Gitarrist eine großartige Band verlässt, um eine Solokarriere zu starten, weil dann kann man beide feiern. So geht es mir bei The War On Drugs und ihrem Mitbegründer Kurt Vile (nicht konfus zu sein mit Kurt Weill), deren Wege sich Ende 2008 trennten. Seither haben sowohl der Krieg auf Drogen als auch Kurt Vile einige Großtaten veröffentlicht (auf Viles Seite schlagen dabei vor allem „Smoke Ring For My Halo“ (2011) und die Kollaboration mit Courtney Barnett „Lotta Sea Lice“ (2017) zu Buche). Noch im letzten Jahr veröffentlichte Vile das ganz hervorragende „(watch my moves)“, um heuer das nicht minder großartige „Back To Moon Beach“ nachzuschieben.

Das Album ist eigentlich eine EP, was bei einer Spielzeit von über 52 Minuten komisch klingt. Netto kommt man auf 39 Minuten, was für eine EP immer noch bannig lang ist. Für die Veröffentlichung haben Verve Records den als „Christmas Bonus“ etikettierten Track „Must Be Santa“ von Hal Moore und Bill Fredericks, das Wilco-Cover „Passenger Side“ sowie den Single-Mix von „Cool Water“ (das Original erschien im letzten Jahr auf dem bereits erwähnten „(watch my moves)“) beigefügt.

Was ich an Vile liebe, sind sein vernuschelter, lässig hingeworfener Gesang und seine Stimme. Und die Art, wie er die Gitarre spielt. Die drei Dinge, die ich an Vile mag, sind also sein Gesang, seine Stimme und die Art, wie er Gitarre spielt, ebenso wie sein Gespür für tolle Melodien.

Moment – ich komme nochmal rein und fange von vorne an. Es gibt sicher mehr als fünf Gründe, Kurt Vile zu verehren, und um gleich von hinten durch die kalte Küche mit der Brust ins Auge reinzufallen: Die Art, wie er „Passenger Side“ von den überaus großartigen und einzigartigen Wilco covert, rechtfertigt schon die Anschaffung von „Back To Moon Beach“. Jeff Tweedy schreibt einen Song und Kurt Vile singt ihn dann – das sollte öfter passieren.

Aber die Coverversion ist nicht der einzige Höhepunkt auf dem Album: Bereits der Opener „Another Good Year For The Roses“ nimmt mich überaus gefangen: Vile nölt sich im typischen Vile-Style in den Song hinein, die Gitarre klimpert, das Schlagzeug scheppert, die Melodie zündet auf Anhieb, eine Mandoline oder sowas ist irgendwo zu hören, und dann, kurz vor der Hälfte des Songs, dreht Vile den Verstärker auf und mischt ganz sachte ein wenig Krach in den Hintergrund. Dass es bereits ein gutes Jahr für die Rosen war, stelle ich anschließend nicht mehr in Frage.

Mit „Touched Somethin (Caught A Virus)“ folgt ein ruhiges Stück, auf dem sowohl Viles vernuschelter Gesang als auch seine verträumte Art, Gitarre zu spielen, toll zum Ausdruck kommen. Anschließend folgt das Titelstück „Back To Moon Beach“, das langsam in Gange kommt und insgesamt acht Minuten und 15 Sekunden dauert. Ein erster Höhepunkt des Albums. Vile nölt und nuschelt und die Instrumente begeistern. Das folgende „Like A Wounded Bird Trying To Fly“ erinnert mich sehr an The War On Drugs: Ein synthetisch klingendes Schlagzeug begleitet jangelnde Gitarren und dazu singt Vile mit viel Hall. Und die Hörenden können wieder in dieser Stimme versinken und großartigen Melodien folgen.

Dann „Blues Come For Some“, OK, und dann ein weiterer Höhepunkt des Albums: „Tom Petty’s Gone (But Tell Him I Asked For Him)“, ebenfalls 08:15 Minuten lang, dabei aber alles andere als was die Länge des Tracks vermuten lässt: Die Gitarren klimpern, das Schlagzeug zieht stoisch seine Bahnen, und im Text setzt Vile sowohl dem 2017 verstorbenen Tom Petty als auch Bob Dylan ein Denkmal, und außerdem DCB, der sich entschieden hat, zu gehen, und von dem er sich wünscht, dass er eine Weile länger durchgehalten hätte und den er jetzt vermisst. DCB, das ist David Craig/Cloud Berman, Gründer, Sänger und Songschreiber von Silver Jews und Purple Mountains, der sich im August 2019 das Leben genommen hat. Der Song taugt sowohl als Hommage an ihn als auch an Petty, und anschießend entlässt das Album die Hörenden in die großartigen Bonustracks.

Viles neuntes Studioalbum ist wie immer non so vile, sondern im Gegenteil ganz bezaubernd und hervorragend.