Husum verdammt – Turbostaat – Live im Tante Ju, Dresden, 2. Juni 2023

Von Onkel Rosebud (03.06.2023)

Die erste Regel des Konzertbesuches lautet: Ziehe nie das T-Shirt der Band an, auf deren Konzert Du gehst. Die zweite Regel des Konzertbesuches lautet: Ziehe – Husum verdammt noch mal – nie das T-Shirt der Band an, auf deren Konzert Du gehst… Fans der Formation Turbostaat scheinen diese Regel nicht zu kennen und gehören deshalb von Tyler Durden oder einem kommunistischen Känguru persönlich geboxt. Fast die Hälfte des Puplikums im Alter zwischen 3 bis 80 im sehr symphatischen Live-Club der sächsischen Landeshauptsadt tragen Obertrikotagen mit Devotionalien der Husumer Punkrock-Band. Das ist ein bisschen unheimlich, aber da sind ja noch meine beiden besten, stilsicheren Konzertfreunde, mit den ich unterwegs bin. Der eine mit Sleaford-Mods-Aufdruck und auf der Brust des anderen findet sich der Schriftzug von The Sebadoh. Bevor es losgeht, sitzen wir draußen, trinken Schorle und amüsieren uns vor allem über die Pärchen im bandeigenen Eulen-Motiv-Partner-Look.

Anyway, turbotstaatsamtlich ist die Aktion der Band, jedem Konzertbesucher einen Stoffbeutel mit der aktuellen Single, „Der weiche Kern“, einer Coverversion des Hammersongs „The Velvet Cell“ von der walisischen Düster-Folk-Band Gravenhurst, und einem Anstecker zu schenken. Dieses Lied live vorgetragen ist mein Höhepunkt des Abends. Es geht insgesamt recht melancholisch zu. Nach Schlaganfall eines Bandmitgliedes nimmt man Jan, Rollo, Tobert, Peter und Marten aus der Krokusblütenkönigin-Metropole ab, dass sie sich tatsächlich freuen, überhaupt live und in Dresden aufzuspielen. Insbesondere den Sänger Jan Windmeier, der interssanterweise nicht die Texte schreibt, würde ich gern als immerfreundliches Haustier zu Hause haben. Er ist ein Menschenfänger. Morrisseyesque mäandert er über die Bühne und ist sich für keinen Hüftschwung zu schade.

Sleaford-Mods- und Sebadoh-Shirt sind ziemlich schnell durchgeschwitz. Die beiden sind bedingungslose Verehrer der Band und können, wie die anderen ca. 600 Teilnehmer*Innen, ausnahmslos alle Texte mitsingen, wenn ihnen das nicht zu blöd wäre. Leider sehen das nicht alle Partygäste so. Nicht die Lautstärke der Darbietung, sondern der Mezzosopran der lieblichen Dame neben mir ist verantwortlcih für meinen morgigen Tinnitus aurium. Sowohl das letzte vor wie auch das erste Konzert nach Corona haben für die Herren Sleaford Mods und Sebadoh Turbostaat geliefert. Das schweißt zusammen. Die Chemie der Fans insgesamt und der Band ist faszinierend. Jeder Song, wirklich jeder Song des Konzertes entwickelt ein einzigartiges Band-Fan-Ritual. Das liegt auch daran, dass man die Texte versteht. Die handeln vom Traurigsein im Allgemeinen und im Besonderen im Kontext von „Coming of Age“, Outsider-Befindlichkeit und Liebeskummer.

Turbostaat sind die nordfriesischen Wedding Present. Live immer ein Genuss. Husum verdammt!

Im Arab-Strap-T-Shirt, Onkel Rosebud