Devin Townsend – Empath – Inside Out 2019

Von Matthias Bosenick (07.05.2019)

Ein Mammutwerk, das man entweder für seine Vielseitigkeit feiert oder es weit von sich schiebt: Devin Townsend, erklärter Tausendsassa, kann alles und macht auf seinem neuen Solowerk „Empath“ auch alles, und zwar durcheinander. Sicherlich ist es staunenswert, was Dev da auftischt, aber stringent geht anders, catchy Tunes bekam er auch schon mal besser hin. Man braucht ewig, um durch den Stilmix durchzusteigen, und freut sich, dass er auf der limitierten Bonus-CD doch eher auf so etwas wie Songs setzt. Die Gästeschar ist so üppig wie die Orchestrierung. Ist das noch Metal?

Natürlich darf man, muss man sich darüber freuen, wenn Genrevertreter nicht die reine Lehre predigen, denn ein weiter Horizont bürgt für, nun, einen weiten Horizont. Es ist schön, wenn Komponisten und Musiker Überraschendes nachvollziehbar, aber unvorhersehbar in ihre Arbeiten einflechten. Wenn das dann aber wie mit der Brechstange geschieht oder per Zufallsprinzip eingedroppt, geht der Hörgenuss einigermaßen verloren. Klar, Dev kann alles, das hat er bislang auch eindrucksvoll gezeigt, aber das eher auf einzelne Alben verteilt: Thrash und Speed Metal auf „Heavy As A Really Heavy Thing“, Punk auf „Cooked On Phonics“, Techno auf „Devlab“, Ambient auf „The Hummer“, Powerpopmetal auf „Addicted!“, Folklore auf „Ghost“, Orchestermetal auf „Ocean Machine Live“, Gospel auf „Epicloud“, Progmetal auf „Transcendence“, Unplugged auf „Unplugged“, Country auf „Casualties Of Cool“ und so weiter. Schon auf „Deconstrucion“ aber verunsicherte er seine Hörer damit, im viertelstündigen „The Mighty Masturbator“ alles einmal quer durcheinander gemixt zu haben. Auf „Empath“ erhebt er diese Vorgehensweise nun zum Albumkonzept.

Diese ganzen Genres, inklusive einem hier eher missglückten Reggae, klebt Dev nun übergangslos aneinander. Innerhalb der Tracks wechseln die Stimmungen, die Energien, die Sounds unwillkürlich; die Indizes erscheinen wahllos gesetzt, es hätten entweder viel mehr oder gar keine sein sollen. All diese Versatzstücke nun sind zwar technisch einwandfrei, aber ohne Kontext und damit auch ohne erkennbare Seele. Ja, Dev kann was, aber er berührt damit dieses Mal leider nicht. Zudem klingen manche Powermetalpassagen wie finnischer Chartsmetal, überproduziert und auf den schlichten Effekt gebürstet.

Puh. Die limitierte Bonus-CD bietet einen vergleichbaren Stilmix, aber auf einzelne Tracks verteilt, die dann sogar sowas wie Wiedererkennbarkeit anzubieten haben. Hier fällt es leichter, sich den Stimmungen Townsends hinzugeben und sich später noch an manche Songs zu erinnern. Und: Das Artwork ist schick, mit dem gestanzten Slipcase sowie der esoterisch bemotivten Pappklapphülle mit den lila Elefanten.

Und ach ja, die Gäste: Anneke van Giersbergen ist wieder mit von der Partie, Devs Gitarrenlehrer Steve Vai ebenfalls. Außerdem unter anderem: Frank Zappas Tour-Keyboarder Mike Keneally, Fredrik Thordendals Kumpel Morgan Ågren von Mats & Morgan, Ché Aimee Dorval von Casualties Of Cool sowie Chad Kroeger von Nickelback, die vorwärts so klingen wie Nickelback.

„Empath“ ist eine Überforderung, immerhin schick verpackt und auf hohem musikalischen Niveau. Ein reines Reggae-Album von Dev wäre jetzt an der Zeit. Die Tür dafür ist geöffnet, irgendwo auf „Empath“ ist sie versteckt.