Deflore & Jaz Coleman – Party In The Chaos – Subsound Records 2019

Von Matthias Bosenick (24.10.2019)

Jaz Coleman ist also schwerst begeistert vom römischen Industrial-Duo Deflore, was ihn nun dazu trieb, eine gemeinsame EP einzuspielen. Seine erste Kollaboration, wie gern kolportiert wird, und dabei geraten unter anderem Anne Dudley, Shihad und Þeyr in Vergessenheit. Die EP nun klingt lediglich partiell wie Killing Joke, und wenn, dann nicht zuletzt wegen Colemans durchdringend röhrendem Gesang; musikalisch leistet sich das Duo mehr elektronische Feinheiten als Colemans Hauptband. Das Vinyl ist zweifarbig bunt und geetcht und nicht zuletzt den Kauf wert.

Der Titeltrack poltert nun wuchtig auf den Hörer ein. Typisch hymnisch röhrt Coleman vom „Party In The Chaos“, Christian Ceccarelli und Emiliano Di Lodovico industrialrocken dazu wie Killing Joke vor 20 Jahren, also heavy, aber mit Elektro-Einschlag und deftig groovend. Man hört den Sänger förmlich wie einen Zampano zappeln, ganz wie in dem Video zu „FVEY“ von Shihad. Zu diesem Stück lässt es sich vermutlich besser headbangen als auf dem Indiefloor abzappeln, aber man soll ja niemanden bremsen.

„Sunset In The West“ klingt exakt so: Ein atmosphärischer Ambient-Einstieg geht in mit E-Gitarren unterfütterten und zart gebrochenen Electro-Beat über, der nach kurzer Eruption dem Piano wieder den Platz räumt und nach einer Verschnaufpause wieder zurückkehrt. Coleman steuert hier die Keyboards bei; herauszuhören ist sein Einfluss nicht. Zurück zum Electrometalbrett geht es mit dem letzten Stück „Transhuman World“, für das Coleman wieder singt. Die Kombination aus Elektronik und Gitarren klingt wie eine besser produzierte Variante dessen, was in den Neunzigern von Bands wie Cubanate oder K-Nitrate kam. Der Track schleppt sich gewaltig über wuchtige Beats, an Fear Factory erinnernde Gitarren und ambientartige Keyboards. Colemans Gesang wird zunächst verzerrt, später singt er klar in seiner tieferen Stimmlage.

Also drei komplett verschiedene Tracks mit Daseinsberechtigung, die dem Killing-Joke-Fan und -Sammler das Oeuvre angemessen erweitern. Insbesondere, wenn er das zweifarbige Vinyl mit dem Etching auf der B-Seite wählt. Was nun nicht zutrifft, ist die Aussage, Coleman sei hier seine erste Kollaboration eingegangen. Abgesehen von den Klassik-Alben sowie den Produzenten-Arbeiten für seine neuseeländischen Buddys Shihad gab es mit „Songs From The Victorious City“ mit Anne Dudley von The Art Of Noise einen ersten Eindruck davon, was Killing Joke später in den Neunzigern in Ägypten so treiben würden. Weitere Credits hinterließ Coleman als Gastsänger bei dem Post-Grunge-Projekt Levee Walkers mit Mike McCreedy (unter anderem Pearl Jam), Duff McKagan (unter anderem Guns N‘ Roses) und Barrett Martin(unter anderem Screaming Trees), mit der neuseeländischen Sängerin Minehewi Mohi unter dem gemeinsamen Alias Oceania, als Remixer bei der Indierockband Dark Star, mit der tschechischen Folkloreband Čechomor, als Gastsänger bei Les Tambours Du Bronx, als Duettpartner von Deasonika und – ohne Veröffentlichung – in den Achtzigern bei den isländischen Apokalyptikern Þeyr unter dem Namen Niceland.

Deflore nun, das Duo aus Rom, ist bereits seit 20 Jahren aktiv. Auch von den Italienern gibt es ein Nebenprojekt: Unter dem Namen Monte Meccano veröffentlichten sie vor sieben Jahren ein Industrial-Ambient-Dub-Album. In das Oeuvre von Di Lodovico und Ceccarelli sollte man also auch noch mal etwas tiefer eintauchen. Und dann hoffen wir, dass Coleman seine bereits vor Jahren vorfinanzierte Orchesterversion von Killing Joke auch nach dem Pleitegang von Pledge noch umgesetzt bekommt.