Das Vollplaybacktheater: Helden der Galaxis – Live in der Lindenhalle in Wolfenbüttel am 4. März 2020

Von Matthias Bosenick (05.03.2020)

Einen zweiten Ausflug ins All (nach „Hanni und Nanni go Space“) macht das Wuppertaler Vollplaybacktheater dieser Tage, ebenfalls zum zweiten Mal (nach „Pulp Fiction“) nicht auf Hörspielen basierend, sondern auf Sci-Fi-Hits aus TV und Kino. Also: Zurücklehnen, Assoziationen genießen, lachen, freuen, erinnern – und sich doch der Tatsache bewusst sein, dass es das sympathische Ensemble mit den Drei Fragezeichen noch am überzeugendsten hinbekommt. Ei, Käpt’n!

Zum Geleit für Uneingeweihte: Das Vollplaybacktheater ist genau das, also ein Theaterensemble, das existierende Tonvorlagen laut abspielt und auf der Bühne den Mund und sich selbst dazu bewegt, wild verschnitten mit allen erdenklichen nahe- und fernliegenden Vorlagen. Der muntere Assoziations- und Zitatereigen funktioniert mit einer Grundhandlung am besten, das hat das VPT in den vergangenen 23 Jahren gelernt. Hier verehrt eine wortlose Gruppe von Tentakelgesichtern ein Artefakt, das ein böses Alien klauen will. Nachdem ihm die Crew eines anderen Raumschiffs dazwischengrätscht und das Heiligtum mitnimmt, klettert ein Tentakelkopf ins Raumschiff und verfolgt es der Böse auf seinem Skateboard durchs All. Bis zur Klärung sämtlicher Sachverhalte hat die Crew nun ausufernd Gelegenheit zu allerlei Schabernack.

Sobald die Vorlage nicht so viel Identifikationspotential und etwas weniger verwertbares Material mitliefert, ist es für das VPT schwierig, flächendeckend zündende Gags daraus zu kreieren. Sexualität, Tanzen und Verfolgungsrennen sind dann die Schenkelklopferkompromisse, auf die das Publikum aber dennoch abfährt. Das ist auch in Ordnung, weil hinter vielen zusammengeschnittenen Zitaten immer noch haufenweise gelungene Überraschungen stecken. Figuren aus „Star Wars“, „Star Trek“, „Alf“ und „Captain Future“ tummeln sich in dem Raumschiff mit der Hape-Kerkeling-Wortschöpfung „Hurz“ als Namen. Der Witz liegt da in den überraschend passenden Dialogen und in den Details, die dabei zutage treten: „Ich bin die Mutter eines Monsters“, sagt Ripley mit Blick auf das Alien in ihrem Bauch, und Darth Vader ergänzt, jenen streichelnd: „Ich bin dein Vater.“

Wie immer verlangt das VPT dem Publikum einen sehr weiten popkulturellen Horizont ab. Die Gewitter-Oma ertönt, die Eissorten klingen an, die Fische aus Monty Pythons „Der Sinn des Lebens“ untermalen die morgendliche Begrüßung der Crew an der Stechuhr auf der Brücke, der Tatortreiniger wischt das explodierte Gehirn eines Marsmenschen aus „Mars Attacks!“ von der Scheibe, Vincent und Jules sprechen über Burger und den Namen des Heimatplaneten des Tentakelkopfes, „LJ“, verstehen nur diejenigen, die sich noch an Elliott aus „E.T.“ erinnern können. Ganz ohne die Drei Fragezeichen geht es gottlob nicht, da ist das VPT wie eine Band, die ihre großen Hits spielt: „Ich bin hunderttausend Jahre alt“, sagt der Chinese Wong aus „Der grüne Geist“, Paul Hartney aus „Die schwarze Katze“ stellt sich vor und Kommissar Reynolds befragt die drei Detektive nach dem Tentakelkopf. Auch John Sinclair schleppt sich in einer Gymnastikübung durchs Bild, „den rechten Fuß vor, das linke Bein nachziehend“.

Und genau dann tritt zutage, dass die Wuppertaler das Trio aus Rocky Beach am stärksten verinnerlicht haben. Da passen die Schnitte aus den unzähligen Episoden, da sitzen die Pointen, da geht auch das Publikum am meisten mit. Die Rahmengeschichten aus der Hauptshow tragen etwas Willkürliches in sich, das bei der Auswahl einer konkreten Hörspielfolge der Drei Fragezeichen schlichtweg unmöglich ist. Aber dennoch: „Helden der Galaxis“ funktioniert auch trotz einiger Längen und macht Spaß, man nimmt diese Pause von den Detektiven gern in Kauf und weiß, dass es sicherlich schon bald wieder mit Hörspielen weitergeht. Die Kulissen sind vielleicht die detailreichsten der Karriere, tragen aber auch mit der längst obligatorischen Videoleinwand nach wie vor von anarchischem Charme. Man spürt auch nach 23 Jahren noch die große Leidenschaft bei den Wuppertalern.

Vollplaybacktheater-Touren seit 1997, gesehen [verpasst]:

[– Das Geheimnis der Särge 1997]
[– Der Superpapagei 1999]
– Die rätselhaften Bilder, FBZ Braunschweig 1999
– Das Geheimnis der Särge, FBZ Braunschweig 1999/2000
– Das Leichenhaus der Lady L., FBZ Braunschweig 2000
– Toteninsel, FBZ Braunschweig 2000/2001
– Toteninsel, FBZ Braunschweig 20.10.2001
[– John Sinclair meets Hanni & Nanni 2002]
[– Hanni & Nanni go Space 2002]
– Banditen, Bars & Butterbrote (Hanni & Nanni vs Edgar Wallace: Das Gasthaus an der Themse), Jolly Joker Braunschweig 2003
– Die singende Schlange, Brunsviga Braunschweig 21.10.2004
– Das Gespensterschloß, Brunsviga Braunschweig 11.10.2005
– Der Teufelsberg, Capitol Hannover 11.05.2006
– Der Superpapagei, Staatstheater Braunschweig 09.05.2007
– Den rechten Fuß vor, das linke Bein nachziehen Clubtour (John Sinclair: Das Horror-Schloß im Spessart), Brunsviga Braunschweig 13.05.2008
– Die bedrohte Ranch, Capitol Hannover 04.11.2008
– TKKG: Das Paket mit dem Totenkopf, CD-Kaserne Celle 14.03.2010
– Der Karpatenhund, Cäciliensaal Oldenburg 12.03.2011
– Die schwarze Katze, Lindenhalle Wolfenbüttel 17.04.2012
– Niemals geht man so ganz (Der Superpapagei), Lindenhalle Wolfenbüttel 26.11.2012
[– Hinterm Horizont (John Sinclair: Das Horror-Schloß im Spessart) 2013]
– Pulp Fiction, Rudolf-Steiner-Schule Wuppertal 12.03.2015
– Der Phantomsee, Theater am Aegi Hannover 01.03.2016
– Der grüne Geist, CongressPark Wolfsburg 22.02.2017
– Das Gespensterschloß, CongressPark Wolfsburg 15.02.2018
– Sherlock Holmes und die Liga der außergewöhnlichen Detektive, CongressPark Wolfsburg 14.03.2019
– Helden der Galaxis, Lindenhalle Wolfenbüttel 04.03.2020