Cowboy Junkies – The Nomad Series – Razor & Tie/Sony 2012

Von Matthias Bosenick (29.10.2012)

Das stand zu hoffen: Wenn die Cowboy Junkies schon ankündigen, dass sie vier Alben in anderthalb Jahren als zusammengehörige Serie veröffentlichen, ist eine Gesamt-Box am Ende des Zyklus‘ obligatorisch. Und ja: Die Box liegt jetzt vor, sogar je nach Format mit einer Bonus-CD sowie einer Bonus-LP und einer weiteren EP. Komplett alles, was die Kanadier im Rahmen der „Nomad“-Reihe veröffentlichten, erhält man aber trotzdem auf keinem der Formate – dazu war das melancholische Indie-Rock-Quartett einfach viel zu kreativ: Es fehlen die beiden mp3-Bonus-EPs, die sie zu zwei der Alben veröffentlichten, sowie der ganze andere Download-Kram, den es auf deren Webseite gibt. Puh. Und all das nach 25 Jahren Bandexistenz.

Das Oeuvre der Cowboy Junkies zeichnet seit jeher die musikalische Vielfalt aus. Das weiß die Geschwisterband auch selbst, wie sie im Booklet vermerken lässt, und hat doch einige Schwierigkeiten damit, diese Vielfältigkeit in ein einzelnes Album zu gießen. So erging es der Band zumindest im Jahr 2008, daher einigten sich die vier Musiker darauf, es nicht mit zwei, Damundherrn, nicht mit drei, sondern gleich mit vier Alben zu versuchen. Die fünf „Nomad“-Gemälde des befreundeten Künstlers Enrique Martínez Celaya gaben die stilistische Klammer vor: Auf vier Bildern ist eine Frau mit einer um den Hals gelegten Großkatze zu sehen, die inmitten einer jahreszeitlich variierenden Landschaft steht, und auf dem fünften wetzt das Tier in Schwarzweiß über eine Schneelandschaft.

Vier Alben, vier Stimmungen, vier Themen: Vol 1, „Renmin Park“, handelt von einem Aufenthalt in China, den Bandmitglied Michael Timmins mit Frau und drei Kindern hatte. Seine Eindrücke von der freundlichen Bevölkerung und der dortigen Kultur vertonte die Band auf dem ersten Album der Reihe. Indes, mehr als inhaltlich sind diese Eindrücke kaum wahrnehmbar, obwohl einige chinesische Künstler an der Entstehung einiger Songs beteiligt waren. Gegen Ende gibt es einen auf Chinesisch gesprechsungenen Song mit musikalischen Anleihen an chinesische Musik, wie man sie als uninformierter Westler etwa aus chinesischen Opern kennt. Ansonsten: die reine Lehre der Cowboy Junkies.

Heißt: repetetive Rockmusik dunklerer Tonart, zwischen „Trinity Sessions“, also zaghaft, akustisch und fragil, und vorpreschendem, dröhnendem Rock. Das Besondere an den Cowboy Junkies ist, dass die Musik eindeutig danach klingt, von Männern komponiert zu sein, dass mit Margo Timmins aber eine Frau singt, wiederum nicht wie eine typische Träller-Tuse, sondern eher an den dunkelspröden Charme von Nico erinnernd. Diese Kombination macht die Alben der Cowboy Junkies immer zum Genuss, auch wenn es die vom derben Rock wegorientierten Songs bisweilen an Einmaligkeit vermissen lassen. Dieses Schicksal teilen trotz der immensen Kreativität auch einige Stücke auf der „Nomad“-Box.

Der zweite Teil, „Demons“, ist das Resultat aus einer nicht-erfolgten Kollaboration mit Vic Chesnutt. Mit dem an den Rollstuhl gefesselten Sänger und Komponisten war das Quartett befreundet. Nach diversen Touren planten die fünf, dass die Cowboy Junkies für ein Album Chesnutts über seine Kindheit und Jugend als Backing-Band fungieren. Doch dann starb Chesnutt. „Demons“ ist nun der Versuch, Chesnutt-Kompositionen so zu vertonen, wie die Kollaboration möglicherweise geklungen haben könnte. Da seine Stimme fehlt, klingt es – nach den Cowboy Junkies. Übrigens ist das Titelstück des Albums nur auf der Bonus-CD/LP der Box enthalten.

Das eigentlich beste der vier Alben ist das dritte, „Sing In My Meadow“. Da lässt die Band alles heraus, was sie live manchmal gerne umsetzt, nämlich den ungezügelten Krach. Dafür setzte sich die Band komplett und nicht wie üblich einzeln ins Studio und rockte die acht langen Stücke ein, in der vertrauten repetetiven Art, mit Noise, mit Saxophon, mit hypnotischer Wirkung, beeinflusst von Miles Davis, The Birthday Party, Jon Spencer, Krautrock. Das macht Spaß, allein dafür schon lohnt sich die Box. Und wie es sich für einen Versuch gehört, das eigene Oeuvre scharf zu trennen, gibt es natürlich auf jedem der anderen drei bis vier Alben ähnlich klingende Stücke.

Das vierte Album nun, „The Wilderness“, beschäftigt sich mit der gesellschaftlichen und psychologischen Wildnis, in der man als Individuum zurechtkommen muss. Ganz so einsam ist die Musik indes nicht, allerdings passenderweise weniger warm als auf den anderen Alben. Und es ist irgendwie eigenartig, die knochentrockene Margo Timmins „Fuck, I Hate The Cold“ singen zu hören. Tja, und dann gibt’s noch die Bonüsse, die eigentlich auch wie ein eigenes bunt gemischtes Cowboy-Junkies-Album klingen. Macht zusammen fast vier Stunden großartige Indierockmusik, die zu Unrecht nicht in den allgemeinen Kanon der Indierockhelden aufgenommen ist, sondern nach wie vor und trotz „Natural Born Killers“ in Europa ein Geheimtipp bleibt.

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