Bob Dylan – Tempest – Smi Col/Sony 2012

Von Matthias Bosenick (20.09.2012)

Boby Dylan ist leider kein Musiker für Jedermann. Das liegt aber nicht an Bob Dylan, sondern an denen, die über ihn schreiben und sprechen, die ihn und sein Oeuvre wie Wissenschaftler betrachten und nicht wie Musikfans. Sie erzeugen ein öffentliches Bild von ihm, das ihn dergestalt überhöht darstellt, dass sich vergleichsweise normal an Musik Interessierte nicht an seine Alben herantrauen. Als Unwissender kann man sich zu ihm nur falsch äußern, man kann ihn nur nicht oder missverstehen, gemessen an dem, was die Dylanonolgen so interpretieren. Schlimmstenfalls heißt es dann nur: Die Stimme ist scheiße, Mundharmonikaspielen kann er auch nicht. Mit dieser sehr wahren Betrachtung entzieht man sich berechtigt der intellektuellen Diskussion – und verpasst doch etwas Gutes. Denn man kann zu Dylan-Musik auch prima tanzen.

Es lohnt sich natürlich, sich mit „Tempest“ und den Songs darauf intensiv zu befassen. Dylan behandelt den Untergang der Titanic, amerikanische Geschichte und eigene Mythen. Davon kreiert er wie immer eine ganze Menge. Das ist höchst interessant, keine Frage, aber eigentlich auch egal. Denn was gerne vergessen wird: Dylan macht auch Musik.

Sicher, auch was Dylans Musik betrifft, kann man ähnlich in historische Tiefen abtauchen und seine Referenzpunkte abklappern wie bei den Texten. „Tempest“ legt das nahe, so sehr, wie Dylan an alte zumeist amerikanische Traditionsmusik anknüpft: Blues, amerikanischer Folk, Country, Swing, und am Ende gibt es einen Sprung über den Ozean, nach Liverpool, wo er Lennon zuraunt: „Roll On John“. Dylans Stücke sind nicht zum ersten Mal lang und episch: Drei Songs sind über sieben, ein weiterer – das Titellied – sogar 15 Minuten lang; Dylan hat etwas zu sagen, mit cool angefressener Raspelstimme, und groovt dabei. Ja, er groovt, man wippt mit, kann nicht stillsitzen, zappelt herum, tänzelt durch den Raum, fängt an zu hüpfen.

Das kann Dylan, das kann „Tempest“, und es wäre ein großes Versäumnis, in Robert Zimmerman und seinem Oeuvre nicht auch die Jukebox zu sehen, die er selbst gerne sein will. Roskilde Festival, 1995, Orange Stage: Bob Dylan spielt auf, bringt seine Hits, bringt seine Songs, und es bleibt einem einfach nichts anderes übrig, als wild zu tanzen und eine Party zu feiern. Das ist Bob Dylan, das ist auch „Tempest“: ein Riesenspaß.

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