Automat – Modul Remixes #1 & #2 – Compost 2020

Von Matthias Bosenick (22.05.2020)

Es ist etwas ins Leere gelauscht, wenn man Remix-EPs betrachten will, deren Originale man noch nicht kennt (weil das Album dazu wegen Corona noch unabgeholt im geschlossenen Plattenladen liegt). Dann muss es eben ohne gehen: Auf bislang zwei 12“es reflektieren Remixer vieler Couleur ausgewählte Tracks des vierten Automat-Albums „Modul“. Dabei steht der Dub wie bei den Originalen auch als Remixergebnis ganz weit vorn, das Trippige, Chillige, Repetetive bleibt erhalten und das Elektronische und Technoide halten Einzug in den ansonsten warmen organischen Sound des Trios.

Die Musik von Automat pulsiert, schon immer, seit dem Debüt vor sechs Jahren. Auf einem sich groovend wiederholenden Beat liegen Basslinien, minimalistische Melodien und im Hintergrund vor sich experimentierende Geräusche, bisweilen erweitert um menschliche Stimmen, gelegentlich als Gesang zu bezeichnen, häufig von renommierten Stars der Subkulturszene ab 1975. In der Erweiterung dieses Rahmens bewegen sich nun die Künstler, die sich remixend an den Tracks zu „Modul“ betätigen.

Patrick Pulsinger belässt bei auf der ersten EP seinem Stück „Ankaten“ das Dubbige bei, streckt es aber um mehr als die doppelte Laufzeit und nimmt bedauerlicherweise die Stimme von Lydia Lunch heraus. Latent elektronisch, aber in der Grundstruktur weiter dubbig bleibt „Easy Riding“, geremixt von einem DJ namens Shahrokh Dini. Das titelgebende Sprachsample kehrt als Anker fürs Ohr immer wieder; Paul St. Hilaire alias Tikiman zeichnet dafür verantwortlich. Die zweite Seite haben Ricardo Villalobos und Max Loderbauer in der Hand, die aus „Nothing Strange“ einen minimalistisch pluckernden House-Remix und einen noch minimalistischer frickelnden IDM-Remix generieren. Für letztere 11 Minuten braucht man zunächst einigen Langmut; auf ein mögliches Original von Automat lässt sich diese Musik trotz eingestreuter Dub-Hallräume nicht einwandfrei zurückschließen, eröffnet aber trotz ihr Sperrigkeit eine Spielwiese an spannenden Effekten, die mit der Zeit einen eigenen Groove entwickeln, am Sprachsample, erneut von St. Hilaire, entlang sogar mit souligem Anstrich, in Summe an den destruktiven Elektro-Soul von Super_Collider erinnernd.

Die zweite EP eröffnet Acid Pauli, also der frühere The-Notwist-Frickler Martin Gretschmann, mit seiner Version von „Nothing Strange“. Er treibt dem Stück viel von dem Verspielten aus und schickt es auf eine vorwärtsdrängende, aber doch gemäßigt voranschreitende Elektro-Reise, ebenfalls minimalistisch, mit einigen Hörenswürdigkeiten am Wegesrand, darunter einer temporär einsetzenden Synthiefigur. Einmal mehr „Nothing Strange“ folgt, bearbeitet vom Berliner DJ DeWalta alias David Koch, der dem Track einen anderen Sprachsample hinzufügt und das Minimalistische um etwas groovebetont Hallig-Trippiges erweitert und über die Spielzeit hinweg latent, aber wahrnehmbar verändert. Mit dem „Club Remix“ steuert Shahrokh Dini eine zweite Version von „Easy Riding“ bei, trotz verwendeter, teils recht fröhlicher Dubelemente deutlicher auf die Tanzfläche orientiert, nicht so minimalistisch wie seine Kollegen in dieser Runde, sondern wärmer, also näher an Automat selbst und mit einem Synthielauf, der den Track zum Ende hin noch mehr auflodern lässt. Beinahe stressig ist „Ghost“, dem Terrence Dixon den heimatlichen Detroit-House-Anstrich verpasst, hartkantig, treibend, sämtliche leeren Räume vollpackend, zwingend; der „Short Mix“ des Tracks fehlt übrigens auf der Vinyl-Version und ist lediglich im Download erhältlich. So richtig in den Reggae transferiert Dubvisionist Felix Wolter abschließend das „Easy Riding“, dazu lässt sich chillig das innere Dreiblatt anzünden.

Bei Automat nun handelt es sich um ein merkwürdig genreübergreifend zusammengestelltes Trio, das gemeinsam eine Musik macht, die in keiner der zugeordneten Bands so richtig dominierend auftrat. Umso überraschender ist, dass dieses Trio auch noch in unveränderter Besetzung ein mittlerweile viertes Album einspielte; Abnutzungserscheinungen gibt es offenbar nicht und der fröhlich organische Dub scheint den drei Musikern eine Herzenssache zu sein; das zumindest klingt auf den Alben und EPs stark an. Die Musiker sind: Achim Färber (unter anderem einst und jetzt eingesetzt bei Project Pitchfork, Phillip Boa & The Voodooclub, Tito & Tarantula, Die Krupps und Eisbrecher), Georg Huber alias Zeitblom (einst bei Sovetskoe Foto) und Jochen Arbeit (unter anderem Einstürzende Neubauten, Die Haut, Sprung aus den Wolken, um nur einige zu nennen). Der Bandname Automat könnte dabei kaum treffender gewählt sein: Wenn die drei erstmal loslegen, erklingt Musik wie von einer Maschine. Hoffentlich nun macht das Riptide bald wieder auf, da liegt noch das Album „Modul“ parat.