Von Matthias Bosenick (23.03.2017)
Die Aufmerksamkeit des Feuilletons ist Josef Hader sicher, denn die Hauptfigur seines Regiedebüts ist ein Arbeitskollege: Hader selbst spielt einen geschassten Konzertkritiker, der mit seiner neuen Lebenssituation nicht zurechtkommt. Das Orientierungslose des Fiftysomethings greift der Film recht gut auf, denn auch die Geschichte kommt nicht zur Sache. Da hätte man insbesondere von Hader deutlich mehr erwartet.
Das Zweitschlimmste an „Wilde Maus“ sind die Charaktere. Sie sind allesamt uneindeutig und willkürlich, ihre Sprunghaftigkeit macht sie dem Zuschauer auf eine Art gleichgültig, die ihrer Beliebigkeit geschuldet ist. Das Schlimmste hängt damit unmittelbar zusammen, und das ist die schlecht konstruierte Geschichte. Hader spielt den Kulturreporter, der aus Sparzwängen von jetzt auf eben auf die Straße gesetzt wird. Das setzt die Maschinerie in Gang, der man ab jetzt zu folgen hat, doch geschieht das ohne konkrete Zeichnung des Reportercharakters, sondern basiert auf vorausgesetztem Wissen um die allgemein bekannten Prozesse, die eine Entlassung bei etablierten Berufstätigen wohl auslösen kann.
Dieser Mensch nun verschweigt die Entlassung vor seiner Ehefrau. Stattdessen verplempert er ohne ersichtlichen Grund seine Zeit im Wiener Prater, dem besonders für Touristen attraktiven Permajahrmarkt. Dort trifft er auf einen anderen Verlierer, mit dem er sich in hanebüchenen Schwachsinnsaktionen bei dem Personaler rächt, der ihn vor die Tür setzte. Zur Krönung übernehmen die beiden die Achterbahn „Wilde Maus“ im Prater. Parallel dümpelt seine Ehe vor sich hin; die Gattin will mit 43 Jahren zwingend ein Kind, lässt sich emotional auf einen schwulen Klienten ein, knutscht mit einem jugendlichen Hausbewohner, zickt gelegentlich unmotiviert herum und ist ansonsten so konturlos wie ein Besenstiel. Man wundert sich, dass überhaupt so viele Kerle etwas von ihr wollen.
Der Typ, mit dem der Journalist die „Wilde Maus“ wiedereröffnet, verprügelte ihn zu Schulzeiten und hat etwas mit einer Rumänin, die er nicht versteht und mit der der Journalist sich auf Italienisch unterhält. Das sorgt einmal für Streit zwischen dem Paar, ansonsten ist es egal. Dann taucht ein früherer japanischer Orchestermusiker auf, der sich an des Journalisten Auto vergeht. Und der schwule Klient der Ehefrau ist mit dem schnöseligen Personaler zusammen. Das ist so hyperkonstruiert, dass man überall Tiefen wittert, die Hader aber nicht einbaut. Alles verknotet sich zu einem schlechten Zaubertrick, der sich als Nichts entpuppt. Und es zieht sich in die Länge!
Mal ist die dumpfe Rache das Sujet, mal die Ehe, mal – eigentlich nichts, zumeist. Hader setzt werbewirksam die gehypte Band Bilderbuch ein und lässt an viel zu wenigen Stellen nur pointierte Dialoge zu, die man von einem Kabarettisten seines Kalibers permanent erwartet hätte. Doch das reicht nicht. Und das enttäuscht.
Um wieder ein positives Bild von Hader zu bekommen, sollte man sich erneut „Indien“ ansehen oder die bislang verfilmten Brenner-Romane von Wolf Haas. Für „Wilde Maus“ ist die Zeit zu kostbar.