Wildblumenblues Vol. 3 – Head Perfume Records 2025

Von Matthias Bosenick (05.08.2025)

Es ist schon neun Jahre her, dass der Labelbetreiber, Verleger, Poet und sonstige Allrounder René Seim aus Dresden unter seinem Alias DJ Cramér den zweiten Teil seiner Sampler-Reihe „Wildblumenblues“ in die Menge warf, damals nur zwei Jahre nach dem ersten. Jetzt endlich ist Vol. 3 zu haben, mit 16 Bands aus aller Welt, die sich in retroseliger Manier und mit ganz viel Surf-Twang dem Garagen-Punk’n’Roll widmen. Wichtiges Kaufargument zusätzlich dazu, dass diese Sammlung einen mächtigen Partyfaktor in sich trägt: Sofern die Beiträge nicht mindestens rar sind, sind sie sogar exklusiv.

Bis zu 30 Jahre haben manche Beiträge bereits auf dem Buckel, obschon einige von ihnen den Anschein erwecken möchten, noch was älter zu sein, und die Originalquellen sind bisweilen nicht einmal bei Discogs gelistet, da hat der Herr Kompilator keine Mühen gescheut, Raritäten und Perlen zusammenzutragen. Was einen großen Teil der Songs verbindet, ist die Freude am Wassersport: Schon der Opener „Worst Of You“ von den Italienern The Lings aus Mantua trägt den Surf-Twang in sich, ist ansonsten aber eher im Fünfziger-Sechziger-Retro-Schlager mit ganz viel Hall verortet. Mit einem nervösen, verspielten und reduzierteren Garagen-Blues machen Die Kramps aus Bremen weiter, die indes nicht nach The Cramps klingen; deren „Don’t You Fool Around“ ist gleich der erste exklusive Song hier.

Mit der US-Amerikanerin Lorette Velvette aus Memphis und ihrem „Don’t Crowd Your Mind“ ist die erste Frauenstimme zu vernehmen, auch ihr Garage Rock ist nahe am Wasser gebaut, also surftauglich. Noch mehr Surf-Twang und noch mehr Tempo bieten The Fabulous Danes, mitnichten Dänen, sondern Österreicher aus Wien, deren „Lambretta Race“ das Fuzzpedal durchdrückt. Die Band Of Phantoms aus Dresden behauptet zwar, „I Can’t Speak For The Dead“, klingen aber so, als sprächen sie regelmäßig mit den Toten – ihr Psychedelic Rock auf Glam-Basis hat eine melancholische Schwere. Tiefer ins Psychedelische gehen The Spermbankers aus Prag, ihr „Devil Took My Woman“ ist nah am fuzzy Stoner Rock.

„Isn’t It Beautiful“, fragen danach die von Dresden aus arbeitenden Treats, zwar mit treibendem Rock’n’Roll-Twang. Ihr „Tupelo“ klauten Thee Wooden Nickels, ebenfalls aus Dresden, nicht bei Nick Cave, sondern huldigen Elvis Presley mit im Refrain verzerrtem Garage-Rock’n’Roll; Bandmitglied Markus Lange besorgte zudem das Coverartwork dieser Compilation. Wiederum ins Psychedelische driften die coolen Garage-Surfer Turnstyles aus Memphis mit ihrem exklusiven Stück „Surface“, das sich frech bei „Seek And Destroy“ von Metallica bedient. In Richtung Rockabilly gehen Andro Dyson & The Untamed Tamers aus Hamburg, ihr „24/7 Sleeper“ drückt den punknahen Sound ins Räudige. Einen aufgebrachten Garage-Punk’n’Roll gibt’s anschließend mit „Comeback Mama“ von den Smokin‘ Taters aus Kassel.

Bei CoCo & The Hitmen aus Memphis singt abermals eine Frau, ihr „Miserable“ ist rotziger Punk’n’Roll. Noch weit rotziger sogar ist das entsprechend betitelte „I Never Knew Such An Asshole As You“ von den Primitive Men aus Dresden, das in passend dreckigen, energetischen Garage Punk gewandet ist. Aus Freiberg kommen die Miners, die mit „Out In The Rain“ in den Strophen den wavigen Post Punk nach Art der B-52‘s ins Haus lassen, natürlich versehen mit Surf-Twang. Ins Country-Fach kann man die Teeth Of England einsortieren, die nicht aus England sind, sondern aus Caroliona Beach in den USA, und deren „Sunday Is A Good Day For Drinking“ trotzdem einem energischen Surf-Twang die Tür offenhält. Zuletzt erinnern Aquarian Blood aus Memphis an Lee & Nancy, ihr „Power’s Out“ ist ein grüblerischer Akustikgitarren-Duettgesang – und ein schöner Abschluss dieses Partyreigens.

Der Herausgeber gibt die Quellen preis, die ansonsten schwierig zu recherchieren sind:

01 The Lings – The Worst Of You (von „The Lings“, Slaak Records 2022)
02 Die Kramps – Don’t You Fool Around (Unreleased, Crautz Recordings)
03 Lorette Velvette – Don’t Crowd Your Mind („Dream Hotel“ LP, Veracity Rec. 1995)
04 The Fabulous Danes – Lambretta Race („6 Off The Cuff“ 7“ Vinyl, Trommelwirbel Records)
05 Band Of Phantoms – I Can’t Speak For The Dead („As The Gods Are Falling“ LP)
06 The Spermbankers – Devil Took My Woman („Do Unto Ohters …“ 12“ LP, Drug Me Records 2019)
07 Treats – Isn’t It Beautiful („Generally, Yes …“ Tape)
08 Thee Wooden Nickels – Tupelo (Unreleased)
09 Turnstyles – Surface (Unreleased)
10 Andro Dyson & The Untamed Tamers – „24/7 Sleeper“ (Physically unpublished)
11 Smokin Taters – Comeback Mama (Physically unpublished)
12 CoCo & The Hitmen – Miserable (Physically unpublished)
13 Primitive Men – I Never Knew Such An Asshole As You („Roadside Entertaiment“ 10“-Vinyl, Rapid Cheetah Records/Flash-Light Records 2003)
14 Miners – Out In The Rain („Colour My Days“ 7“-Vinyl, Muldensound 2007)
15 Teeth Of England – Sunday Is A Good Day For Drinking („Scrounge“ LP)
16 Aquarian Blood – Power’s Out („Decoy“ EP, physically unpublished)