Von Matthias Bosenick (22.12.2020)
Nachdem die Weiße Rose zuletzt von fürchterlichen Menschen in falsche Kontexte gezogen wurde, wird man etwas skeptisch, wenn sie in einem Bandnamen auftaucht. Natürlich hat diese Band, besser: dieses Projekt, keine respektlose Intention, zudem besteht es mittlerweile bereits seit 25 Jahren. Gut zu wissen, da gibt es einiges nachzuforschen, sobald man das neue Album „Happiness At Last“ einmal durchgehört hat, zum Beispiel über Zusammenarbeiten im Indie- und Gothic-Bereich, die als Kenntnis für dieses Album jedoch eher irreführend sind. Es ist ein sehr sanftes, beinahe intimes Werk, nicht wie Singer-Songwriter-Gejammer, sondern wie ein kontemplatives, reflektiertes Stück Weltbetrachtung, innere wie äußere, das behutsam zum Zuhören einlädt, mit Gitarre, reduzierten Percussions, Klavier und natürlich Stimme. Und der Fähigkeit, mit diesen Mitteln Hymnen zu erschaffen.
Gibt man sich dem Album hin, vereinnahmt es den Hörenden sofort. Carlo von Puttens Stimme hat hier beinahe etwas Fragiles, wie er da im Coronajahr 2020 vermutlich irgendwo allein an diesen Aufnahmen arbeitet, was ja gar nicht stimmt, schließlich ist dies das Album einer Band, wie er nun seine feinen Songperlen einsingt und sie von anderen instrumentieren lässt, reduziert, akustisch, zurückhaltend und doch ausdrucksstark, denn auch, wenn die Band das Tempo mal anhebt, neigt sie nicht zu Gewaltausbrüchen, sondern zu gebremster Ausgelassenheit. Das hier ist ein Indierock, bei dem der Rock unterliegt, wie man ihn vielleicht von House Of Love kennt oder von Sophia oder den Tindersticks, wenn man denn Vergleiche bemühen muss, weil man White Rose Transmission selbst zuvor nicht kannte.
Etwas irreführend ist die „Happiness“ im Titel, zumindest für sich betrachtet; es ist ja möglich, dass dieses Album im Vergleich zu den fünfen davor tatsächlich nach Glücklichkeit klingt, und es ist außerdem Ansichtssache, wie sich Glücklichkeit überhaupt ausdrückt. Aufgesetzte, zur Schau gestellte Hedonismen bekommt man hier nicht, das würde gar nichts zum Sound passen. Eine Grundmelancholie liegt diesem Album sehr wohl inne, aber keine Schwermut; das pastellblaue Cover mit der betrübt dreinblickenden jungen Frau und der Teufelshandpuppe ist da ein guter Fingerzeig. Der Schritt zur Gruftmucke wäre von hier aus aber noch in sehr großer.
Dabei sind die Brücken dazu längst errichtet: Initiatoren der Band waren Carlo van Putten und Adrian Borland, ersterer in den Neunzigern aktiv mit The Convent, zweiterer mit The Sound – also beide mit Postpunk und New Wave. Nachdem Borland Ende der Neunziger die Band per Suizid verließ, setzte von Putten den Weg ohne ihn, aber mit wechselnden Mitstreitern fort, also vielmehr als offenes Projekt, und zu diesen Mitstreitern gehörten auch Leute von The Chameleons, Clan Of Xymox, The Church und den Dresden Dolls, also ein schöner Querschnitt durch ebenjene Musikrichtungen.
Heute und also auf diesem Album dabei sind Leute von Dead Guitars, Twelve Drummers Drumming und der niederländischen Band Aestrid. Eine fette Band also, aber eine, die sich songdienlich zurückhält. Von der Vorab-EP „In June“ ist übrigens der Titeltrack auf dem Album nur als Akustik-Version enthalten, ein charmanter Move.