Von Matthias Bosenick (09.01.2016)
Nach „Blankets“ und „Habibi“ legt der nun vierzigjährige Zeichner und Autor Craig Thompson mit „Space Dumplins“ seine erste Science-Fiction-Graphic-Novel vor. Seinem wundervollen und wiedererkennbaren Zeichenstil bleibt der US-Amerikaner treu. Der Rest ist anders: Die Bilder sind koloriert, die Panels nicht mehr so frameübergreifend opulent ausgestattet und die Handlung ist eher dünn und gewöhnlich, was vermutlich daran liegt, dass er dieses Mal auch Kinder und Jugendliche in die Zielgruppe einschließt. Trotzdem liest man es gern, schließlich schickt einen Thompson mit fast jedem Bild auf eine Entdeckungsreise. Und er vermittelt, wie immer, Werte, sowohl nebenbei als auch mit dem erhobenen Zaunpfahl.
Dieser Betrachtung liegt übrigens die englischsprachige Originalausgabe zugrunde, daher kann hier nicht auf die deutsche Reprodukt-Version mit Übersetzung, Lettering und sonstigen Abweichungen eingegangen werden.
Zuvorderst ist „Space Dumplins“ offenbar eine Hommage an Thompsons eigene Tochter, denn die Hauptfigur trägt deren Namen: Violet. Diese ist im Buch die Tochter einer Modedesignerin und eines Sägewerkarbeiters. Zusammen leben sie in einem Trailerpark, der aus vielen an eine Tankstelle angedockten Wohn-Raumschiffen besteht. Mutter Cera muss täglich in eine Raumstation zur Arbeit pendeln, Vater Gar sägt Brennstoff aus Walexkrementen, die er mit seinem Vehikel aus dem All fischt. Es gibt nämlich im Weltall Wale, die dummerweise in ihrem Hunger ganze Planeten verschlingen. Einer dieser Wale hat nun Durchfall und sorgt mit seinen Ausscheidungen für eine gigantische Katastrophe und einen Ausnahmezustand allerorten. Weil die Wale auch Violets Schule verschlangen, muss Cera sie mit zur Arbeit nehmen. Dort erfährt sie, dass ihr Gatte Gar im Zuge eines speziellen Einsatzes verschwand. Nun macht sich Violet mit zwei Freunden in einem Weltraumtrike auf die Suche nach ihrem Vater. Diese Freunde könnten unterschiedlicher nicht sein: Elliot ist ein depressives, hypergebildetes und sensibles Hühnchenkind, Zachhaeus ein unförmiges Alienkind mit Technikkenntnissen und einigem ungestümen Draufgängertum. Zusammen bilden sie ein anfänglich feindseliges, dann natürlich schlagfertiges Team, das Gefahren aller Art übersteht und unerwartete Verbindungen zu anderen Wesen eingeht.
Die Familie ist der höchste Wert, den Thompson hier herausstellt. Damit meint er sowohl die genetische als auch die selbstgewählte, also Vater-Mutter-Kind wie Freunde. Nebenbei flicht er biblische Themen ein und legt der Walkatastrophe ein fehlendes Umweltbewusstsein zugrunde. Das ist ehrenrührig und süß, und damit erfüllt das Buch sicherlich den Tatbestand des Bildungsromans. Nur ist die Handlung eben wirklich kaum außergewöhnlich spannend oder so richtig besonders. Dafür aber die Charaktere, und in die steckt Thompson alle Phantasie. Auch gestaltet er das Weltall nicht eben zwingend der Physik gemäß: So ein Raumschiff kann auch schon mal vom Walen angeknabbert werden, ohne dass die Insassen davon ersticken. Das passt gut in diese fantastische Welt und stört nicht, ebenso wenig, dass Wale im All umherschwimmen oder sich ein gigantisches Schrottband wie eine künstliche Milchstraße durch den Kosmos zieht.
Na, und richtig toll ist eben Thompsons Zeichenstil. Man erkennt ihn sofort. Seine Violet und ihre Weggefährten gestaltet er so liebevoll wie Craig und Raina aus „Blankets“ sowie Dodola und Zam aus „Habibi“. Was die Weltraumausstattung betrifft, fühlt man sich an mancher Stelle an andere Comics erinnert, etwa die von Seyfried oder die „Per Anhalter durch die Galaxis“-Adaption von John Arnell und Steve Leialoha. So ist „Habibi“ das größere Meisterwerk, aber „Space Dumplins“ leichter zu ertragen als jenes, weil die Themen nicht so heftig sind. So schmökert man sich gern durchs All und genießt die liebevollen Zeichnungen und Figuren.