Von Onkel Rosebud
Meine Freundin hat auch ein „Triangle Of Sadness“, Kummerfalten im unteren Bereich der Stirn, knapp über den Augen, an der Stelle zwischen den Augenbrauen. In meinem Sprachraum nennt man das Sorgenfalten und ich hoffe inständig, dass ich nur partikulär dafür verantwortlich bin, dass diese dort bei ihr entstanden sind.
Der gleichnamige Film des schwedischen Regisseurs Ruben Östlund führt in drei Teilen vom Catwalk über ein Schiff auf eine einsame Insel. Es ist eine Satire über „unten“ und „oben“, über Privilegierte und Nicht-Privilegierte, über Borniertheit, Eitelkeiten, Macht und Ohnmacht, über kleinere und größere Machtkämpfe. Und bevor ich mich jetzt darüber echauffiere: Der Film liefert zweieinhalb hochgradig unterhaltsam Stunden. Warum man das Oeuvre unbedingt gesehen haben muss, lässt sich auf einen Hauptcharakter und eine Szene kurz vor dem Untergang des Schiffst reduzieren. Der kommunistische Kapitän (absolut brillant: Woody Harrelson) lässt sich auf ein allmählich im Alkohol ertrinkendes, philosophisches Rededuell mit dem Oligarchen und Düngemittelhersteller „Ich verkaufe nur Scheiße“ Dimitry (Zlatko Buric) ein. Muss man gesehen haben, meint auch meine Freundin.
Szenenwechsel: Neulich im Restaurant. Ambiente, Schorle und Schmackofatz mit der geliebten Person haben gestimmt. Der Kellner legt die Rechnung in die Mitte auf den Tisch. Ohne, dass man vorher drüber geredet hat, wer bezahlt nun? Die Freundin, weil sie besser verdient? Der Mann, weil er den Erwartungen an Geschlechterrollen entsprechen muss? In „Triangle Of Sadness“ geht’s auf Meta- und Detailebene gesehen genau darum. Das ist sehr interessant, wird aber leider nicht beantwortet, weil es keine Pointen am Ende gibt, sondern all diese „wer-bezahlt-nun“ Situationen ausgewalzt werden, bis man als Zuschauer vor lauter Fremdscham froh ist, wenn die nächste Szene einsetzt.
Alle Figuren im Film sind irgendwie sympathisch. Wenig Text, aber große Momente hat die 73-Jährige schon immer liebenswerte, immer-frische Iris Berben als Kreuzfahrt-Passagierin mit dem Handicap, nach einem Schlaganfall eine Sprachbehinderung zu haben, die ihr nur möglich macht, sich mit drei Worten zu verständigen: „In den Wolken“. Frau Berben, eine Göttin der Leinwand, ist der andere Grund, warum „Triangle Of Sadness“ unbedingt sehenswert ist.
Warum ich trotzdem enttäuscht aus dem Kino rausgeschlurft bin? Die Dreiteilung des Films mutet an wie eine lieblose Aneinanderreihung von Kurzfilmen, die immer absurder werden. Fäkalhumor trifft Kapitalismuskritik. Wirklich gute Drehbuch-Ideen sind nicht zu Ende gedacht. Insgesamt fehlt der Tiefgang.
Im Grunde geht es um die Leistungsgesellschaft und wieso ist Schönheit eine Währung? Diese Frage habe ich einer künstlichen Intelligenz meines Browser-Anbieters gestellt. Das war die Antwort (Stand Mai 2023): „Schönheit ist ein häufiges Attribut individuellen menschlichen Wohlgefallens, das zum Beispiel in Naturerscheinungen, bei Kunstgegenständen und in Alltagserlebnissen auftritt. Als Bezugsgröße persönlichen Empfindens entzieht sich Schönheit jedoch einer allseits akzeptierten, verbindlichen Objektivierung und Festlegung. Es gibt jedoch eine gewisse Wertigkeit für Schönheit. Je höher der Wert, desto mehr Menschen finden es attraktiv.“
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