Von Onkel Rosebud
Hitparaden nach Verkaufszahlen – so wie wir sie aus der BRD und gesamtdeutsch seit 35 Jahren kennen – gab es in der DDR nicht. Das hatte vielerlei Gründe. Unter anderem war die Begrenzung des Rohmaterials Vinylacetat ein Grund, denn es wurden nicht von allen Platten die gleiche Stückzahl gepresst. Ein schönes Beispiel ist die Platte „Rock’n Roll Music“ von den Puhdys, die insgesamt eine Million Mal über den Ladentisch ging. Die „LP des Jahres“ 1988 mit dem Titel „I.L.D.“ von der Gruppe Rockhaus jedoch nur ca. zwanzigtausend Mal. Außerdem bekam nicht jeder Musiker die Gelegenheit, seine Lieder als Single zu veröffentlichen. Viele Songs wurden über das Radio zu Hits, denn sie wurden als Rundfunkproduktionen im Radio gespielt („Rundfunkauskopplungen“ statt „Singleauskopplungen“), aber nicht auf Platte (oder erst später) veröffentlicht. Da half man sich als Musikfreund mal schnell selbst, legte sich einen Kassetten-Recorder (z.B. „Sonett“, „SKR 700“ oder „Geracord“) zu und schnitt die Musik am Radio mit. Das ging auch ganz prima, denn im DDR-Rundfunk wurden die Lieder „mittschnittfreundlich“ ausgespielt. Das kennt man heute nicht mehr, denn jeder Radio-DJ sabbelt schon am Anfang des Liedes rein und tut das auch am Ende. Darum waren Verkaufszahlen nicht relevant, und die Leute, die sich Lieder am Radio mitgeschnitten haben, ließen sich nicht zählen. Und darum gab es im Radio und im Fernsehen Wertungssendungen wie z.B. „Tip-Disko“ und die „Beatkiste“ oder das „DT Metronom”. Aus allen Wertungssendungen wurden dann die „Hits des Jahres“ bzw. die „Jahreshitparade“ ermittelt.
Das führte dazu, dass gruselige Perlen in einfallslosen musikalischen Stilen von immer den gleichen Gruppen die vorderen Plätze belegten. Mir läuft heute noch ein Schauer über den Rücken, wenn ich Lieder wie von Perl – „Zeit, die nie vergeht“ (Platz 1, 1985), Ralf Bursy – „Feuer im Eis“ (Platz 2, 1986) oder Karussell – „Als ich fortging“ (Platz 2, 1987) auch nur aufschreiben muss. Dazu alles von Metropol, Stern Meißen, Prinzip, Rockhaus, Petra Zieger, Jessica, Dialog, Ute Freudenberg & Elefant, Babylon, Electra, Lucie, Wahkonda, Lift, Neumis Rock Circus, Veronika Fischer, Keks, Maja Catrin Fritsche, Cäsars Rock Band, Condor, oder Spät-NDW-Combos wie Scheselong, Rosalili, IC, Amor & die Kids, Datzu und viele, viele mehr. Ein einziger Song von The Smiths ist besser als der gesamte Output dieser uninspirierten, sozialistischen Bumsklumpen.
Am schlimmsten aber waren die Formationen Puhdys und Karat mit ihrer Allzeitpräsenz in den streng kontrollierten DDR-Medien. Was haben meine Freundin und ich für popkulturelle Lebenszeit an Dieter „Maschine“ Birr, Herbert Dreilich und Konsorten verschwendet. Was haben wir gelitten…
Es gab aber auch Ausnahmen im DDR-Mainstream-Pop und -Rock. Darüber in der nächsten Folge.
Onkel Rosebud
