Von Matthias Bosenick (18.04.2016)
Wer zum Henker ist Vasil Hadžimanov? Und warum sieht auch diese CD so seltsam amateurhaft aus? Und warum ist dann fast konträr dazu das entsprechende Album so restlos großartig?! Also, Vasil Hadžimanov kommt aus Serbien, aber wer auf dem vorliegenden Livealbum Balkanbeats erwartet, liegt komplett daneben. Hier hat man es mit einem irrwitzigen Mix aus Free Jazz, Funk, Progrock, akustisch gespieltem Drum and Bass, Klaviersonaten und irgendetwas Undefinierbarem zu tun. Abenteuerlich, mitreißend, anspruchsvoll, groovy. Man kann nur staunen. Und sollte beim Hören dringend das Cover weglegen.
Als wenn Maceo Parker damals bei Miles und Coltrane mitgespielt hätte. Als wäre Zappa bei Magma eingestiegen. Die Vasil Hadžimanov Band kann ordentlich was, lässt das aber nicht als Selbstzweck heraushängen, sondern wendet es für die Sache an. Zwischen ultraschnellen Melodien, gespielt mit Saxophon (von featured artist David Binney), Klavier oder Gitarre, drängen sich Improvisationen und Assoziationen; manchmal finden Schönheit und Freiheit gleichzeitig statt. Da greift der Begriff „Fusion“ gar nicht weit genug für das, was hier stattfindet.
Und was hier stattfindet: Alle zehn Minuten, unter dem dauern die Stücke kaum, wird man daran erinnert, dass das ganze Album nicht etwa akribisch im Studio zusammengebastelt wurde, sondern live vor Publikum eingespielt. Dann gibt es nämlich Applaus und die Band steigt umso mehr im Ansehen, solch Irrwitziges überhaupt geleistet zu haben.
Ab dem dritten Stück gönnt sich die Band dann auch mal eine Pause. Es wird avantgardistisch, frei, mäandernd; solches erinnert an die frühen Jazzexperimente. Und gleitet dann in eine Art Progrock. Interessanterweise, es mag aber auch an der musikalischen Prägung liegen, geht einem diese Musik nicht auf die Nerven, sondern beruhigt sie vielmehr, eben ganz wie guter Free Jazz.
Interessant ist, wie die Band bei allem Experiment immer wieder in Schönheit findet. Radiotauglich sind die Songs mitnichten, aber manche Passagen haben etwas Vertrautes, Genehmes. Gerade weil der Kontext aber herausfordernder ist, fallen diese Sequenzen nicht unangenehm auf, sondern strahlen darin umso heller. Und wenn’s dann von der chinesischen Oper in progressive Rockmusik mit Indianergesang kippt, möchte man barfuß tanzen und die dazu Matte schütteln. Die Musik klingt nie kalt, trotz aller Seltsamkeiten, sondern bleibt angenehm warm. Auch dies ist eine wundervolle Leistung.
Recherchiert man nach dem bandnamengebenden Menschen, erfährt man, dass Vasil Hadžimanov im Juni 43 Jahre alt wird und in Belgrad geboren wurde. 1988 gründete er die Band Darkwood Dub, die offenbar eine Mischung aus Reggae und Noise machte. Und noch macht, nur längst ohne ihn. Nach einer musikalischen Ausbildung in Boston spielte Hadžimanov unter anderem mit Leuten wie David Gilmour und Nigel Kennedy. Kein Wunder also, dass als fünftes Album seiner Band so etwas Zeitlos-Grandioses wie „Alive“ herauskommt. Der Jubel ist berechtigt.