Von Matthias Bosenick (08.01.2016)
Till Burgwächters Texte sind ein reines Vergnügen, sowohl selbst- als auch vorgelesen, besonders, wenn er mit seiner charmanten Kodderschnauze über Metal und Fußball spricht, also Themenfelder, die er selbstironisch und doch voller Zuneigung zerlegt. Sex hingegen… Ist ein so vielschichtiges und persönliches Thema, dass man es in der Reihe nicht zwingend sehen will. Sex im Humor driftet schnell in Schmuddelecken und flache Lacher, Sex als wissenschaftlicher Gegenstand ins Antiseptische, alles dazwischen ist Geschmackssache. An dieser Konstellation scheitert auch Burgwächter auf weiten Strecken, aber man kann sich bei der Lektüre sehr gut vorstellen, wie das Publikum einer Lesebühne dazu lacht. Schwieriges Experiment.
Anders als im Metal und im Fußball gibt es im Sex nicht so viel Allgemeingültigkeit („Iron Maiden sind Gott“, „Bayern ist scheiße“). Man kann sich als Enthusiast nicht so einfach in eine große Masse begeben und die gemeinsam verehrte Sache feiern (Wacken, Eintracht-Stadion). Das einzige, worauf sich eine Mehrheit einigen kann, ist wohl, dass einvernehmlicher Sex Spaß machen kann. Aus dieser Erkenntnis allein lässt sich nun aber kein Buch pressen.
Also durchforstete Burgwächter das Internet und Lexika auf der Suche nach Allgemeinheiten und Absonderlichkeiten, um sie in seinem despektierlichen Sprachgebrauch aufzubereiten. Er taucht in die Geschichte ab, sowohl in die kulturelle als auch die wissenschaftliche, räumt mit Legenden auf und widmet sich den hinlänglich durchdiskutierten Standardthemen, die man in populären Medien zu dem Thema erwartet: Sex an ungewöhnlichen Orten, Sexshops, Sextourismus, Sex-Kontaktanzeigen, Sex bei Tieren, Sex in Kunst und Musik, Pornos und dergleichen mehr. Die Themen sind bekannt, die Aufbereitung findet im Burgwächter-Stil statt. Sein respektloser Humor macht natürlich Spaß – aber spätestens, wenn er seine eigene Meinung einfließen lässt, wird es schwierig.
Denn dafür ist Sex zu individuell. Schnell hat man dann doch den typischen Mann vor Augen, der sich eben nur für Fußball, Mucke und Sex interessiert – ein Typus, der womöglich auf weite Teile der Y-Chromosomenträger zutrifft, aber eben nicht auf alle. Und an den Vorlieben und Abneigungen des Autors ist man auch nicht zwingend interessiert, besonders, wenn er die Neigungen des Lesers abwatscht: Damit muss der Autor rechnen, dass er bei einem so sensiblen Thema mit seiner Haltung auch Andersdenkende verprellt.
Zudem ist Sex im Humor neben Fäkalien der am leichtesten verdiente Lacher. Geht immer. Deshalb ist auch die Zielgruppe dafür ausreichend groß. Schön für sie, doch wer mehr im Sex findet als nur „Historisches, Kulturelles und Skurriles“, nämlich „die schönste Hauptsache der Welt“, zuckt beim Lesen meistens mit den Schultern und gibt sich lieber mit dem Partner seiner Wahl dem vertrauensvollen Rausch der Emotionen hin, die den guten Sex erst so herausragend und einzigartig machen. Offenbar erleben das jedoch nicht so viele Menschen, dass das als Allgemeingültigkeit nachfühlbar ist, weshalb es dann doch wieder die Walpenisse, Sexgesetze und Analplugs sein müssen, über die alle gemeinsam lachen. Schade.