Tier – Backwood Blues – Pink Tank Records 2025

Von Matthias Bosenick (25.03.2025)

Hier ist so circa genau das drin, was draufsteht: Das Album heißt nicht ohne Anlass „Backwood Blues“. Das Trio Tier, in Eigenschreibweise TIER, also wie die E-Scooter, aus Trier, also einer Stadt mit einem R mehr als der Bandname, spielt genau das: Blues, aber einen von der dunklen Seite, in einem riffigen Stoner-Gewand und mit melodieseligem rauhen Gesang, der manchen Songs auch eine Neunziger-Seattle-Anmutung verleiht. Energetische Songs, schweißtreibend dargeboten.

Ja, der Blues, der hat so seine vielseitigen Anmutungen, und er dient hier als wiedererkennbare Basis für schweinedreckigen Rock’n’Roll, reichlich heavy, rifflastig, gniedelfreudig, verspielt, melancholisch, kraftvoll und sogar mit einigem Humor. „Hang ‘em Up“ etwa ist ein Call-And-Response-Track, in dem der Refrain eher gebrüllt als gesungen erschallt. Ist der Anfang des Albums über drei Songs noch im kopfnickfreundlichen Midtempo gehalten, sprintet der vierte Song „Entropy“ mächtig los. Das sind doch Cowbells da im Refrain, oder? Wer hätte das gedacht, dass man die eines Tages mal wieder cool finden würde: Bei Tier finden sie einen passenden Stall. Wie fett die Band diesen Track spielt! Und wie psychedelisch er zum Ende hin noch wird! Ja, Blues ist sehr wandelbar.

Man könnte „Bad Girl“ in seiner Ausrichtung glatt inmitten von Neunziger-Grunge-Songs auflegen, ohne dass er fehl am Platze wirkte. Für „Keep Sweet“ probt der ansonsten rauh shoutende Sänger in den Strophen den Klargesang, bevor die gesamte Band zum Refrain wieder in den knackigen Uptempo-Rock’n’Roll übergeht. Das Intro von „Bad Blood“ würde sich gut in einem Western von Sergio Leone machen, mit seinem Pfeifen zum minimalistischen Gitarrenklimpern. Der Rhythmus von „Æther Ride“ hat anfänglich sogar etwas von Iron Maidens „Wrathchild“.

Eine kleine Klammer um das Album bilden Mitsing-Chöre: Erschallen sie im Opener „Long Way Down“ noch große Gruppen zum Mitmachen animierend, hat man im Rauswerfer „Execution Song“ beim Erklingen der „Ooohs“ vielmehr den Eindruck von einem Requiem, obschon die Musik dazu eine mitreißende Färbung hat. Interessanterweise möchte man zu Beginn von „Blackwood Blues“ noch das T im Bandnamen gegen ein B austauschen, während es zum Schluss hin an Ernsthaftigkeit zulegt.

Das Trio Tier ist noch recht frisch, 2022 meldete es sich mit der EP „Dawner“ erstmals abseits von Bühnen zu Wort. Für den Gesang sind offenbar alle drei Musiker zuständig, was erklärt, warum der so wandlungsfähig ist, und dazu spielt Fabian Kreußler den Bass, Jonas Juchem das Schlagzeug und Jan Hilken die Gitarre. Die drei können mächtig was, die rocken ihren Blues nicht einfach herunter, da passiert pro Song mehr als auf manchen Alben, zudem bringen sie lediglich zu dritt einen enormen Druck auf den Kessel, wo dies erforderlich ist, und bekommen es gleichzeitig ebenfalls hin, sich zurückzunehmen, wenn der Song mal etwas Besonnenheit einfordert. Das ist nie lang der Fall, die drei „Brüder im Geiste“ haben zu viel Energie, um sich dauerhaft zurückzuhalten, und das ist genau richtig so.