Von Matthias Bosenick (01.05.2025)
Kaum, dass man den Saal verlassen hat, weiß man schon kaum noch, worum es in „Thunderbolts“ – in Eigenschreibweise mit angehängtem Asterisk – überhaupt geht. Ein Haufen zum Abschuss freigegebener verfeindeter Superhelden verbündet sich gegen die Abschießenden und findet Frieden und Freundschaft. Wie originell. Kernthemen sind Depressionen und Traumata, allerdings massenkompatibel oberflächlich aufgetragen. Die Hauptfigur ist weiblich und aus Osteuropa, aber kein Sexsymbol, das spricht indes für den Film, ebenso wie der Umstand, dass etwas aus dem Marvel Cinematic Universe mal nicht in Farben von „Wer wird Millionär“ gehalten ist, sondern eher natürlich-erdig. Ansonsten: Durchschnitt – nicht so Scheiße, dass man sich darüber aufregen muss, aber auch nicht so eindrucksvoll, dass er in persönliche Top-Listen gerät.
Zur Story gibt’s tatsächlich nur unwesentlich mehr zu sagen. Die nach Batman-Art an sich zweifelnden Helden sollen aus der Welt geschafft werden, weil sie Beweise für irgendwelche Machenschaften eines Unternehmens wären, gegen das der Staat ermittelt. Die Chefin, nebenbei CIA-Direktorin, will also drei Leute verbrennen, doch die setzen sich zur Wehr, und zwar im Verbund mit Bob, der unvermittelt in ihrer Todesfalle auftritt – und der Rest eines als gescheitert aufgefassten weiteren Experiments dieser Firma ist, der die supersten aller Superkräfte hat. Bob bleibt in den Fängen der Firma, den flüchtigen Helden schließt sich der überdrehte Vater der Hauptfigur an. Und ein Kongressabgeordneter, der eigentlich gegen sie ermittelt, sich dann auf ihre Seite stellt und sich als weiterer Ex-Superheld entpuppt. Bob wird trve evil, die Haupt-Heldin kriecht in sein Unterbewusstsein und rettet mit Billo-Psychotherapie die Welt, nachdem auch die anderen folgten. Als sie die Chefin dann hochgehen lassen wollen, stellt sie das Team der Presse als The New Avengers vor. Fortsetzung folgt.
Der Film versucht so viele Aspekte unterzubringen, dass er in keinem von ihnen überzeugt. Sieht man ihn in 3D, gibt es nur ganz wenige Szenen, die dieses Effektes würdig sind. Action findet statt, aber stets nur kurz, weil es ja in der Vergangenheit und der Psyche der Protagonisten zu wühlen gilt. Das aber wiederum nur oberflächlich und ohne anerkennungswürdige Aha-Erkenntnisse, sondern maximal nach Art der Küchenpsychologie. Special Effects sind drin, fallen aber kaum ins Gewicht. Gags müssen sein, sind aber so zwingend der dünnen Handlung entnommen, dass sie kaum überraschen; sie sind eher schablonenhaft nach bekannter Hollywood-Humor-Methode konstruiert. Einzig das gefährliche Kissen ist ein wahrhaftig unerwarteter Moment. Okay, einige Wortbeiträge sind in ihrer dreckigen Boshaftigkeit unterhaltsam; von schlagfertigen Dialogen sind diese indes sehr weit entfernt, es endet meistens an der ersten Punchline.
Nicht nur die Story wirkt geklaut, auch diverse Versatzstücke kennt man aus anderen Bewegtbildprodukten. Die Szene mit dem guten Kaffee aus „Twin Peaks“, die verschachtelten surrealen Räume ebenso, wenn nicht aus „Cube“. Oder aus „Stranger Things“, das Upside-Down. Aus der Serie ist auch gleich Hopper-Darsteller David Harbour mit dabei, der diesen Hopper als alten Russen nochmal nachbaut. Die gegen böse Mächte verbündeten Ex-Helden hat man aus „The Boys“ vor Augen. Die maliziöse Chefin sieht aus wie Cruella De Vil. Bob als Sentry wiederum wie Phil Collins, da passt „Nothing’s Gonna Stop Us Now“ von Starship im Abspann schon ganz gut. Bobs evil Superkraft, die Welt in Schwärze und Asche zu verwandeln, erinnert an ein invertiertes Nichts aus „Momo“. Mit der Hand gebremste Projektile kennt man aus „Matrix“, mit tödlicher Gefahr geworfene aus „Hot Shots 2“. Na, und so weiter.
Die Geschichte nun also plätschert so vor sich hin, die Helden arbeiten sich an ihrer Einsamkeit und ihren Depressionen, Selbstzweifeln und Traumata ab. Die Heldin nun rät Bob zu Beginn, einfach alles wegzudrücken, und revidiert ihre Meinung an entscheidender Stelle. Nun spaltet sich der schwarze Asche-Bob vom gepeinigten Depri-Bob ab, der seinen todbringenden Zwillig mit Kloppe niederzuringen und vom Auslöschen der Welt abzuhalten versucht. Und da wird’s kurz merkwürdig: Die Helden begreifen, dass Böse-Bob genau das will, und hindern Depri-Bob daran, weiter auf den einzuprügeln. Was also ist die korrekte Lösung? Nicht wegdrücken! Oder auch doch: Denn anstatt, dass Bob seinen Schatten akzeptiert, in sein Leben integriert und dessen Eigenschaften für das Gute zu nutzen lernt – hört der Kampf einfach auf, ist siegreich beendet und Bob fortan allmachtlos zur Witzfigur degradiert. Da baut der Film zwei Stunden lang auf diesen Moment hin und hält dann noch nicht mal die billigste Hollywood-Regel ein, sondern löst das Dilemma noch billiger auf? Es verpufft einfach? Die ganzen zu Asche gewordenen Menschen sind plötzlich wieder da? Auch die, die im Hubschrauber abstürzten? Ach, auch egal.
Die Post-Abspann-Szene, die die Fortsetzung einleiten soll, wirkt so schrägbunt, als habe man vor, die Sache dann als Comedy weiterzuführen. Puh. Das wäre bedauerlich, weil man damit die guten Aspekte dieses Films zunichte machte. Der ist nämlich in fürs Auge angenehmen Farben gehalten, mit anguckbaren Schauspielern besetzt, vermeidet platte Liebesdramen und hat eine Mucke, die nicht nervt. Die Story plätschert so unaufgeregt vor sich hin, dass man beinahe hochschreckt, wenn das Tempo mal ansteigt, und irritiert nicht beim Chillen im Kinosaal. Die spärlich eingebaute SciFi-Technik geht in der Alltagsoptik unserer Gegenwart beinahe unter, auch die reißt die Guckenden aus keiner Unaufmerksamkeit heraus. Man kann sagen: Der Film ist nett. In wieweit er im MCU angesiedelt ist, darf Laien gottlob egal sein, man versteht ihn mit Leichtigkeit auch so und kommt dann ganz gut ohne potenzielle Insider-Gags aus.