Von Matthias Bosenick (30.01.2018)
Das Hollywood mit Filmen, die außergewöhnliche Geschichten erzählen, und nicht mit Special Effects davon ablenken, dass es keine Geschichte gibt, existiert ja doch noch! Zumindest, wenn man Europäer machen lässt. Der britische Ire Martin McDonagh erzählt von einer verbitterten Mutter, die in einem Nest in den USA auf die Aufklärung des Mordes an ihrer Tochter drängt und mit einem ungewöhnlichen Mittel eine Reihe unerwartbarer Ereignisse auslöst. Nicht nur Hauptdarstellerin Frances McDormand lässt das schwarzhumorige Drama „Three Billboards“ wie ein Werk der Coen-Brüder erscheinen.
Wenn man einen Film über eine wütende Frau erwartet, die wegen des unaufgeklärten Verbrechens an ihrer Tochter ihr Hinterwäldlerkaff auf den Kopf stellt, wundert man sich zunächst über das Erzähltempo des Films: McDonagh lässt den Figuren und ihren Entwicklungen Zeit, vordergründige Action findet nicht statt. Obwohl im Verlaufe Blut fließt und der Tod Einzug hält, ist die ausgeübte Gewalt, aus der die größten Verletzungen resultieren, verbaler Art. Meisterin darin ist Mildred Hayes, gespielt von Frances McDormand.
Mildred agiert selbst nur einmal, den Rest des Films über reagiert sie, aber auf ihre Weise. Sie lässt drei abgelegene Werbetafeln mit den rechtlich abgesicherten Hinweisen darauf versehen, dass die örtliche Polizei die Aufklärung des brutalen Mordes an ihrer Tochter verschleppt, namentlich Chief Willoughby. Wie es sich für ein Hinterwäldlerkaff gehört, trifft die Aktion den Nerv der Dummen und bringt diese zu unüberlegten Reaktionen. Man kann angesichts des mittleren Erzähltempos nicht behaupten, die Handlung schlüge Haken, doch schlängelt sie sich in unvorhersehbaren Windungen herum. Weder rechnet man etwa mit der abrupten Gewalt von Seiten der Staatsgewalt, noch mit dem Ausbleiben der Gegengewalt, sobald sie sich anbietet. Und mit den anderen Geschehnissen, inklusive dem Ende, rechnet man auch nicht. Ein Schachspiel mit Trollen unter den Figuren.
Auf diese Weise wechseln auch die Zuneigungen des Zuschauers den Figuren gegenüber. Erscheint Mildred zunächst als wehrhaftes Opfer mit dem Recht auf Antworten, zeigt sie alsbald zwischenzeitig beinahe faschistoide Ansichten. Ex-Mann, Werbemanager, Dorfzwerg, Sohn, durchreisender Gewaltverbrecher und immer wieder Polizeiorgane: Sie alle führt McDonagh mit einem konkreten, beinahe klischeehaften Bild ein und lässt den Betrachter schnell die Meinung ändern, manchmal sogar mehrmals im Verlaufe des Films. Damit entlarvt er das stereotype Denken seiner Zuschauer, führt sie aber nicht vor, sondern gibt begründeten Anlass zum Umdenken.
Größter Pluspunkt sind die Dialoge, in denen die zerstörerischtse Sprengkraft liegt. Nicht nur sind sie im Sinne der inneren Logik des Filmes plausibel, sondern streckenweise auch enorm witzig. „Eigentlich fand ich das auch lustig“, „Hat Penelope wirklich ‚bedingt‘ gesagt?“: Die Figuren haben mit treffsicherem Witz das Potential, trotz ihrer teilweise abstoßenden Haltungen sympathisch zu werden.
Der zweite große Pluspunkt sind die Darsteller. Nicht nur Frances McDormand ist großartig, auch der Klamaukactionstar Woody Harrelson als Chief und Sam Rockwell als tumber gewaltbereiter Cop überzeugen auf ganzer Länge. Außerdem kunstvoll sind die Bilder, mit denen McDonagh die Geschichte erzählt; „Three Billboards“ zeigt von der ersten Sekunde an, dass Perspektiven, Kamerawinkel, Farben sowie Licht und Schatten für den Regisseur von großer Bedeutung sind. Das ergibt in Summe einen rundum überzeugenden Film, der trotz erkennbarer Nähe zu „Fargo“ keine Kopie irgendwelcher Coen-Brüder-Hits ist.