Von Matthias Bosenick (24.02.2021)
Unermüdlich, dieser Kirk Brandon! Mit irgendeiner seiner vielen ewigen Bands bringt er ganz bestimmt ein neues Album heraus, zumeist unbemerkt von breiter Öffentlichkeit, aber stets gefeiert von seiner Folgerschaft. Bei „Utsukushi-sa (A Thing Of Beauty)“ handelt es sich um das neueste Album seiner Postpunk-New-Wave-Combo Theatre Of Hate, das ist die mit dem unüblichen Saxophon. Melancholie und Glam können so eingängig sein! Berührend ist wie immer Brandons – nun – Tenorgesang, lang anhaltend und durchdringend, der über allem schwebt, was er musikalisch veranstaltet. Dieses Album ist ein grandioses in einer Folge grandioser Alben, eine sichere Bank für die alten Fans und einfach mal völlig uninteressant für den Rest der Welt.
Die Musik ist warm, was nicht zuletzt am Saxophon liegt, das alternierend den Gesang untermalt und frei im Song schwebt. Das erstaunt insofern, als dass Theatre Of Hate in ihrer Anfangszeit gerade mit diesem Saxophon und einem eher aggressiven Post-Punk eine reichlich harte Kälte ausstrahlten, nicht zuletzt befeuert von den Inhalten, mit denen sich Brandon auseinandersetzte; Titel wie der des bekanntesten Songs „Do You Believe In The Westworld?“ sprechen da deutliche Worte. Warme Musik machen Theatre Of Hate also heute, Rockmusik im weitesten Sinne, im Midtempo zumeist, der der Post Punk und der New Wave der Gründungszeit noch aus allen Poren dringen, nur eben nicht in der Temperatur: Trotz einer gewissen Hymnenhaftigkeit ist die Melodieführung nicht poptauglich, sondern fordert mit eingestreuten Halbtönen die Hörgewohnheiten heraus, und rhythmisch bedient sich die Band auch gern mal beim Blues des Glam Rock, wie es in dem Genre zu Beginn der Achtziger bisweilen geschah, weil es sich noch nicht bei sich selbst bedienen konnte, ohne aber des Glams Überkandideltheit zu übernehmen. Die Band bleibt nahbar. Und bei sich, ein Anbiedern ein zeitgenössische Trends findet gar nicht statt.
Die erste CD dieses Doppel-Albums ist voll ausproduziert, auf der Bonus-CD gibt es neun der 13 Lieder nochmal in reduzierter Form, als „Alt Mix“ bezeichnet. Der Sound ist da dunkler, leerer, dubbiger, die Songs haben dadurch etwas weniger Wucht, die Kälte der frühen Zeiten dringt wieder durch, das Maß an Melancholie ist höher. Eine schöne Ergänzung zum Hauptalbum, und bei vielen Liedern hat man bereits beim ersten Hören den Eindruck, sie bereits gut zu kennen, was sich beim Genuss der zweiten Hälfte nur vertieft, da es spätestens dann ja tatsächlich zutrifft. Bedauerlich ist lediglich, dass Brandon seit einiger Zeit dazu übergegangen ist, alles Physische, das nicht Vinyl ist, als schnöde CDr zu verkaufen; die geringe Haltbarkeit dieses Mediums ist allgemein bekannt und das Format trägt somit den Beigeschmack des Wertlosen, was der Musik nicht gerecht wird. Dafür verlangt Brandon fürs freundliche Signieren des Covers kein Extrageld.
Unermüdlich deshalb, weil Brandon nicht nur ständig mit Theatre Of Hate und Spear Of Destiny neue Platten rausbringt, sondern auch permanent live auftritt, selbst in der Pandemie, und kürzlich auch noch seine Allstar-Band Dead Men Walking für kommende Auftritte reformierte, ein liebenswertes Projekt mit wechselnden Veteranen aus Bands wie Stiff Little Fingers, The Ruts, The Cult, Sex Pistols, The Alarm, Big Country, Stray Cats und weiteren, die voller Inbrunst zur Akustischen ihre größten Hits von der Bühne gröhlen und trotz der leicht räudigen Darbringung unterstreichen, wie geil die Originale schon sind.
Nach der Umbenennung von The Pack in Theatre Of Hate 1980, nach Split 1982 und Reunion 1991 ist „Utsukushi-sa (A Thing Of Beauty)” das erst siebte Studioalbum der Band, Livealben und Compilations hingegen gibt es noch fast 30. Zur Besetzung gehören neben Brandon auf diesem Album Gitarrist Adrian Portas (New Model Army, Sex Gang Children, Spear Of Destiny), Schlagzeuger Chris Bell (Gene Loves Jezebel, Specimen, Thompson Twins, Spear Of Destiny), Saxophonist Clive Osborne (Blue Cats, The Playboys, The Surfin‘ Gorillas) sowie Bassist Stan Sammers, seit Bandgründung bei Theatre Of Hate und seitdem ewiger Weggefährte Brandons.