Von Matthias Bosenick (15.09.2013)
Der dritte Teil der so genannten Cornetto-Trilogie (oder auch: „The Blood And Ice Cream Trilogy“) enttäuscht leider. Das bewährte Team will zu viel und bringt vom Relevanten zu wenig. Das Drehbuch wirkt unausgegoren. Auch die filmischen Kniffe, die das bisherige Werk – „Shaun Of The Dead“ und „Hot Fuzz“ – zusätzlich zu Ideenreichtum, Geschichte, Humor und Tricks so sehenswert machen, treten hier zugunsten einer enorm konventionellen Darstellung zurück. So nähert sich das Britische Team letztlich Hollywood eher an, als dass es ihm einen Gegenentwurf liefert. Die in die Story gepresste Sache mit den Kampfrobotern untermalt diesen Eindruck noch. Sie sind zwar das Gimmick des Films, aber der wäre eindeutig besser ohne sie ausgekommen, wenn sich das Team auf das Ursprungselement mit den verschiedenen Lebensentwürfen der Hauptfiguren und den daraus resultierenden Konflikten konzentriert hätte.
Zwar treffen in „The World’s End“ fünf Menschen aufeinander, eigentlich bilden sie aber lediglich zwei verschiedene Typen ab. Hauptfigur Gary King (Simon Pegg) ist in seiner Entwicklung ungefähr dort steckengeblieben, wo er die anderen vier zuletzt sah: beim Zeitpunkt des Schulabschlusses Anfang der 90er. Die anderen vier, darunter Andy (Nick Frost), sind anzugtragende Berufseinigermaßenerfolgsmenschen mit irgendeiner Art Familienanschluss, Geliebter, Ehekrise und Ähnlichem, womit sich westliche Durchschnittsmänner heutzutage so herumplagen und was sie eigentlich orientierungslos macht, weil es selten in Gänze ihrem Wesen entspricht. Sie haben den Kontakt zu ihrem 90er-Ich aufgegeben und bilden damit, verglichen mit Gary, das andere Ende der Skala. Jener bringt die anderen 20 Jahre nach dem letzten Treffen dazu, mit ihm etwas zu vollenden, was sie beim Schulabschluss nicht schafften: In jeder der zwölf Kneipen ihres Heimatstädtchens je ein Pint zu trinken. Dabei treffen die fünf Figuren und also zwei Lebensentwürfe nicht nur innerhalb der Gruppe auf ihre Vergangenheit, sondern auch im externen Rahmen der Stadtkulisse, wenn sie auf frühere Wirte, Peiniger, Geliebte, Lehrer und so weiter treffen.
Das wäre ein wunderbarer Ansatz für eine Auseinandersetzung mit einem Thema, das heutzutage viele zumeist männliche Vierzigjährige beschäftigt, möglicherweise als Folge einer sich anbahnenden Midlifecrisis, vielleicht aber auch nur, weil man wirklich einmal zufällig auf frühere Wegbegleiter trifft, die ihr Leben anders gestalten als man selbst: Fragen nach dem Erwachsensein und was dazugehört, nach Verantwortung, Selbstaufgabe, Charakterentwicklung, Selbstwert, danach, welchen Einflüssen man folgt, dem eigenen Empfinden oder dem gesellschaftlichen Bild, das man abzugeben hat, der Rolle, die man zu spielen zu haben glaubt, und vor allem danach, wie die Zwischenstufen von Gary und den anderen Vieren aussehen könnten, die hier im Film nämlich gar nicht auftauchen. Man kann etwa auch Sisters-Fan sein und ein guter Mitarbeiter in einem Versicherungsbüro, man kann Vater sein und mit seiner Frau auf Konzerte gehen, man kann mitten im Leben stehen und trotzdem regelmäßig mit seinen Freunden durch die Kneipen ziehen, man kann das jugendliche Opfer einer Erniedrigung sein und trotzdem als Erwachsener klarkommen. Auch die früheren Peiniger können ein Einsehen haben.
Aber so weit kommt es nicht, es bleibt bei den Ansätzen, denn plötzlich sehen sich die fünf Eigentlich-Nicht-Freunde der eigentümlichen Situation ausgesetzt, dass in ihrem Heimatstädtchen alle Leute von irgendwem gegenüber willfährigen, aber ihnen gegenüber kampfeslustigen Robotern ausgetauscht wurden. Die fünf, also vier lahme Bürohengste und ein Alkoholiker, mausern sich zu Martial-Arts-Kämpfern und nehmen es mit der Alien-Roboter-Invasion auf. Mit dem perfiden Erfolg, und da konterkariert der Film seinen eigenen Ansatz, dass ausgerechnet die nihilistische Haltung des kindhaften Gary die Bedrohung abwendet, ohne dass jener womöglich einen erwachsenen Schluss daraus zieht. Das ist eine verschenkte Chance.
Interessant ist, dass Pegg und Frost verglichen mit den anderen zwei Filmen im Grunde ihre Rolle tauschten. Frosts Andy ist letztlich auch der einzige im Film, der sich verändert: Er übernimmt Teile der Haltung Garys, was eben nicht überzeugt, insbesondere, als Andy Gary noch zuvor ohne nachvollziehbaren Grund an Pint Nummer zwölf hindern will. Charakterentwicklung wäre bei der Konstellation notwendig gewesen, findet aber nicht statt. Die Figuren bleiben eindimensional und blass, sind einem eigentlich sogar egal, wenn nicht sogar unsympathisch, anders als bei den ersten zwei Filmen. Auch die Randfiguren sind nur Staffage. Die einzige relevante Frau im Film hat nicht mehr Inhalt, als dass Gary sie als Jugendlicher auf dem Behindertenklo fickte und dass sie das heute nicht wiederholen will.
Das plumpe Sexthema ist nicht das einzige Zugeständnis an Hollywoodmethodik. Der Film hat mehr Effekt als Handlung, mehr Schlägerei als Tiefgang, mittelmäßige filmische Mittel, unstringente Charaktere mit nicht nachvollziehbarer Haltung, damit und auch ansonsten diverse Drehbuchschwächen. So ist Gary der Erzähler zu Beginn des Films, am Ende ist es aber Andy. Immerhin, anders als im Hollywoodfilm hat das Abwenden der Aliens eine nicht eben positive Folge für die Erde, die aber konsequent ist; wenngleich das kurz vor knapp in den Film gequetschte Thema Technikabhängigkeit einfach mal eines zu viel ist. Hübsch übrigens, wie in diesem Zusammenhang das Cornetto-Eis auftaucht.
Natürlich ist der Film nicht absolut schlecht, sondern lediglich im Kontext sehr enttäuschend. Gut sind die handelsüblichen Zitate, die von „Blues Brothers“ und „Es“ über „Das Dorf der Verdammten“, „The Stepford Wives“ und „Westworld“ sowie diversen Jackie-Chan-Filmen bis hin zu „Alien“ und „Attack The Block“, an dem einige Teammitglieder auch beteiligt waren. Passend zu den gezeigten Szenen und zum Wesen des Gary ertönen Indie-Songs der frühen 90er; eine Humor-Ebene, die Kennern Freude bereitet und Nichtkenner nicht weiter stört. Natürlich gibt es neben dem Cornetto-Ding weitere Elemente, die in mindestens zwei oder gleich allen drei Filmen auftauchen, etwa Peggs Sprünge über Zäune oder die Teilnahme von früheren James-Bond-Darstellern (hier: Pierce Brosnan, in „Hot Fuzz“: Timothy Dalton). Auch die Dialoge, sofern sie nicht von auf die Dauer langweiligen Prügeleien an die Seite gedrängt werden, quillen über vor britischem Humor und aktueller Gesellschaftskritik, etwa an uniformer Franchise-Gastronomie. Dennoch, selbst das Interimswerk „Scott Pilgrim vs The World“, das Wright nach „Hot Fuzz“ ohne seine Hauptdarsteller verwirklichte, hat deutlich mehr Feuer, Biss, Spaß, Qualität als „The World’s End“. Das ist, nebenbei, übrigens der Name der zwölften Kneipe, die sie aufsuchen wollen, und damit auch der Schluss des Films, wie eigentlich jeder der zwölf Kneipennamen etwas über die laufende Geschichte verrät. Schöner Kniff.