Von Matthias Bosenick (25.01.2018)
Für ein kleines, ausgewähltes Publikum, das auf dem Cover sogar komplett namentlich aufgelistet ist, spielten The Mission in Quartettbesetzung live im Studio eine Best-Of aus ihrem dreißigjährigen Bestehen ein. Schon wieder Best-Of und Live von der bereits zweimal aufgelösten und wiedervereinigten Goth-Rock-Band? Ja, doch in einem anderen Sound: trocken, knackig, reduziert, nach vorn gehend und voller Spielfreude. Kann man sich zulegen, wenn man Lust auf Varianten dessen hat, was man an The Mission so mag. Davon gibt’s ja genug.
„Goth-Rock“ als Kategorisierung trifft bei The Mission ja nun nicht umfassend und unfallfrei zu, aber irgendein Label muss man dem Ganzen ja aufdrücken. Dabei war die Ur-Intention Wayne Husseys, als er 1985 The Sisters Of Mercy verließ und The Mission gründete, eine Band im Stile von U2 aus der Taufe zu heben. Einer der frühesten Hits war ein Cover eines Songs von Neil Young, „Like A Hurricane“, und auch im Verlauf der Jahre pflegten Hussey und seine wechselnden Mitmusiker die breite Stilvielfalt, bei gleichbleibender Grundlage Rock indes, selbst bei wunderschönen Radiopopsongs wie „Butterfly On A Wheel”.
Die letzten zwei Alben, die nach der zweiten Reunion, waren von etwas anderem Sound: Auf „The Brightest Light“ klangen The Mission ungeschliffen, grob und rauh wie nie zuvor; ein Gewand, das der Band gut stand und das die Musik klar von dem abgrenzte, was dieser Tage so unter dem Rubrum Goth verschlagert wird. Etwas dichter an das gewohnte akustische Bild der druckvollen, hymnischen, rockigen The Mission rückte dann das jüngste Album „Another Fall From Grace“. Die Vielzahl der Songs aus diesen beiden Werken im Set von „Bending The Arc“ belegt, welchen Wert Hussey seinen eigenen jungen Arbeiten beimisst, ganz gleich, wie hitlastig es ist. Er weiß ja, dass sein Publikum zwar zur Nostalgie neigt, aber anders als das anderer alter Bands auch dem frischeren Werk gegenüber aufgeschlossen ist. Sein muss, sonst hat es einen schlechten Abend.
Das Set gleicht die Songs aus allen Epochen dem gegenwärtigen Sound an, alles klingt wie zusammengehörig. Hussey singt die „The Brightest Light“-Stücke nicht mehr so hysterisch, das latent synthetische Werk aus Mitte der Neunziger bekommt Wärme, die überraschend wenigen frühen opulenten Hits erfahren Reduktion. Und dennoch klingen die Songs angenehm voll. Und gemuckt darf werden! Als Begleiter wählte Hussey für dieses Set zumeist altvertraute Mitstreiter: Bassist Craig Adams verließ die Sisters mit Hussey für die Gründung von The Mission und Gitarrist Simon Hinkler gehörte schon in der zweiten Hälfte der Achtziger dazu; lediglich Schlagzeuger Mike Kelly ist erst seit 2013 gelegentlich von Spear Of Destiny ausgeborgt.
„Bending The Arc” ist für Eskimos lohnend, für Einsteiger sicherlich mindestens interessant und in Summe nicht so überflüssig, wie man bei der Unzahl von Live-Veröffentlichungen Husseys meinen möchte. Mit der Songauswahl belegt Hussey, dass er noch immer dazu in der Lage ist, packende, mitreißende, groovende, rockende Songs zu schreiben; das hat er seinem Vorbild U2 voraus. Pledger des Albums erhielten übrigens als Download ein exklusives Cover des Songs „Marian”, den Hussey 1985 für The Sisters Of Mercy mitkomponierte; der Weggang von Andrew Eldritchs Band und der Rechtsstreit um den Namen von Husseys eigener Gruppe (Sisterhood sollte die heißen, was Eldritch mit einer EP unter dem Namen verhinderte) bewegt Hussey inzwischen offenbar nicht mehr zum Groll, sondern zu dem Vergnügen, diesen wundervollen Hit selbst darzubieten. Auch den Käufern der Doppel-CD, denn „Marian“ ist als ungelisteter Hidden Track enthalten.
Tracklist:
CD 1:
01 Black Cat Bone (von The Brightest Light, 2013)
02 Serpent’s Kiss (von The First Chapter, 1987)
03 Tyranny Of Secrets (von Another Fall From Grace, 2016)
04 Swoon (von Neverland, 1995)
05 Sometimes The Brightest Light Comes From The Darkest Place (von The Brightest Light, 2013)
06 The Grip Of Disease (von Grains Of Sand, 1990)
07 Afterglow (von Neverland, 1995)
08 Can’t See The Ocean For The Rain (von Another Fall From Grace, 2016)
09 Dance On Glass (von God’s Own Medicine, 1986)
10 Butterfly On A Wheel (von Carved In Sand, 1990)
11 Belief (von Carved In Sand, 1990)
12 Met-Amor-Phosis (von Another Fall From Grace, 2016)
CD 2:
01 Another Fall From Grace (von Another Fall From Grace, 2016)
02 Evangeline (von Aura, 2001)
03 Raising Cain (von Neverland, 1995)
04 Only You & You Alone (von Another Fall From Grace, 2016)
05 Garden Of Delight (von The First Chapter, 1987)
06 Heat (von Children, 1988)
07 Blood On The Road (von Another Fall From Grace, 2016)
08 Like A Child Again (von Masque, 1992)
09 Everything But The Squeal (von The Brightest Light, 2013)
10 Never’s Longer Than Forever (von Another Fall From Grace, 2016)
11 Coming Home (von Blue, 1996)
12 Swan Song/Marian(von The Brightest Light, 2013/von The Sisters Of Mercy – First And Last And Always, 1985)
The First Chapter steht stellvertretend für die ersten Singles, 1986
Nicht berücksichtigt:
Aural Delight, 2002 (strenggenommen doch)
God Is A Bullet, 2007
Dum-Dum Bullet, 2010