Von Matthias Bosenick (06.10.206)
Und plötzlich klingen The Mission wieder wie The Mission, wie viele es sich seit Jahrzehnten wünschen und wie man es als jemand, der sich auch mit den Abwegen einverstanden sieht, trotzdem lieben kann. Der Gothic Rock der Engländer ist jetzt also wieder weicher, waviger, hymnischer, schöner als beim Comebackalbum „The Brightest Light“. Das war so grobschlächtig, dass viele Fans sich abwandten; zu Unrecht natürlich, denn es war ein gutes Album, gerade deshalb. Doch scheint sich Bandchef Wayne Hussey damit ausgetobt zu haben, denn „Another Fall From Grace“ könnte auch ungefähr rund um „Children“ und „Carved In Sand“ stattgefunden haben. Die limitierte Version des Albums ist indes nur so halb wichtig.
Hussey lässt die elektrischen Gitarren bis zur Flächigkeit glattbügeln, auch das Schlagzeug ist mit einer Kissenfabrik gedämpft. Dennoch klingt die Musik wuchtig. Das vollziehe mal einer nach. Es liegt an den unzähligen Spuren, die die Band vollspielt: Hier ein Percussionspiel, dort zwei, drei Gitarreneffekte, hüben zu Chören aufgestapelte Stimmen. Diese Elemente nehmen der Musik die simple Geradlinigkeit und verleihen ihr etwas, das dem Hörer Aufmerksamkeit abverlangt. Dazu klingen Bassläufe und Melodien wieder nach dem Waverock der Achtziger, bisweilen sogar eher nach alten The Cure als nach alten The Mission. Das einzige, das an „The Brightest Light“ etwas nervte, war Husseys Stimme: Er kiekste und gellte und schrie manchmal, dass es in den Ohren wehtat. Das unterlässt er gottlob auf „Another Fall From Grace“. Hier neigt er mehr zur Hymne und lässt auch mal Chöre tirilieren.
Bei aller offenkundiger Sanftheit vermeidet es die Band, jammerig oder balladesk zu werden. So gruftig muss es dann zum Glück auch wieder nicht sein. Die Songs finden im Altherrenmidtempo statt, aber da sie so effektvoll angereichert sind, ist das genau richtig für die vielen zu entdeckenden Elemente in der Musik. Erstaunlicherweise ist die Laune auch in Moll an mancher Stelle beinahe fröhlich. Das ist enorm ungewöhnlich.
Erst im Verlauf des Albums drehen die Musiker auch mal die Effektgeräte auf. Die Gitarre ist mal etwas verzerrter, das Schlagzeug bekommt mehr Wumms, Hussey lässt auch stimmlich die Sau raus. Damit erzeugen The Mission eine nachvollziehbare Dramaturgie, das Album baut sich auf, es greift die angedeutete Entspanntheit auf und führt sie auf ein energetischeres Level. Zumindest kurzzeitig.
Als limitierte Version gibt es das Album in DVD-Größe im Pappschuber. Als zweite CD liegt das Album komplett instrumental vor. Erstaunlicherweise fehlt hier nichts, die Musik ohne den Gesang langweilt nicht. Immerhin gilt der Chor immer noch als Instrument und bleibt zu hören. Damit ist die CD mehr als nur ein halbherziger Bonus. Als drittes kann man sich anderthalb Stunden lang uraltes Videomaterial von The Mission auf DVD ansehen. Das wiederum macht man sicherlich nicht öfter als einmal, wenn überhaupt. Es ist grobkörnig, VHS-streifig, verwackelt und verschnitten. Braucht man nicht so dringend. Das Album an sich aber, das schon. Einmal mehr kommt hier gute Musik von alten Leuten.