Von Matthias Bosenick (01.05.2024)
Ach – „The Fall Guy“ ist tatsächlich das Kino-Remake der 40 Jahre alten TV-Serie „Ein Colt für alle Fälle“! Von der der Film indes lediglich anderthalb Namen, ein Auto und das Hollywood-Setting übernimmt – der Rest hält den Erwartungen an eine solche Filmumsetzung nicht stand. Was einige Vorteile hat, betrachtet man die machohaft-sexistische Vorlage, aber auch den Nachteil, dass der Film ohne diese aufgedrückte Klammer besser funktioniert hätte, weil ohne Erwartungen, die er nicht einhält. Was er stattdessen liefert, ist durchaus okay und wäre bei strafferer Inszenierung sogar mehr als das geworden.
Colt Seavers. Ein Name wie ein Witz aus der angehenden Pubertät. Für die Boomer mag er ein Lockmittel sein, sich „The Fall Guy“ im Kino anzugucken, für die Kids muss der Klang peinlich wirken: Colt, ernsthaft! Nun heißt also die Hauptfigur in diesem Film so, fährt den Pickup GMC Sierra Grande und ist Stuntman. Das sind schon alle Analogien zur Serie – seine Freundin in spe Jody heißt hier Moreno statt Banks, seinen Cousin Howie Munson gibt es erst gar nicht, ebenso wenig Samantha oder Terri, die dem Trio mit vier Fäusten immer die Aufträge zuschusterte. Denn Colt ist hier gar kein Kopfgeldjäger, der nach Drehschluss unwillige Angeklagte gegen Geld vor Gericht zu zerren hilft. Ja, was denn dann und wozu der Titel?!
Die Frage beantwortet der Film nicht. Stattdessen erzählt er von Colt, der nach einem Unfall den Job quittiert und den Arsch nicht mehr in der Hose hat, die angebandelte Romanze mit der Jetzt-Regisseurin Jody fortzuführen. Als deren Agentin Gail ihn hinter Jodys Rücken ans Set ihres Films „Metalstorm“ lockt, geschieht dies, weil Gail ihn damit beauftragt, den verschwundenen Hauptdarsteller Tom zu suchen. Bald hat Colt eine gut geölte mafiöse Gesellschaft gegen sich, seinen Stuntkoordinator Dan an seiner Seite und fortwährend die Aufgabe, Jodys Herz zurückzuerobern.
Kling nicht nach „Ein Colt für alle Fälle“, oder? Eben. Ließe man den Colt-Quatsch weg und schnitte man mindestens eine halbe Stunde Herzschmerz heraus, hätte man indes eine fabelhafte Action-Komödie. Die Prügeleien machen Laune, die Effekte erstrecht, und insbesondere der Umstand, dass man ein Filmteam beim Dreh beobachtet, erlaubt Einblicke in die Trickkiste, die dennoch effektvoll zum Einsatz kommt. Zudem verfolgt man Colts Versuche, seine Haut zu retten, mit nägelkauender Spannung, das ist gut gelungen. Effektvolle Momente hat der Film unzählige, die Neon-Schlägerei im Club, die Verfolgungsjagd im Kipplader, die explosive Ballerei am Schluss, es ist ein Fest. Es dauert aber wegen Herzschmerz, bis der Film dieses Tempo überhaupt erreicht, obschon die Szene im Boot, als Colt mit Jody telefoniert und gleichzeitig von den Bösen gesucht wird, wie die Stille vor dem gedroppten Beat wirkt, wenn es wieder richtig kracht.
Die Handlung ist dünne, die Verschwörung fast albern; die Person, die hinter allem steckt, weiß plötzlich zum Selbstschutz eine Armee an ballerfreudigen Arschlöchern hinter sich, nur um einen karriereschadenden versehentlichen Totschlag zu verschleiern – das ist doch etwas drüber, aber egal, wenn die Action stimmt. Anders ist es mit dem Telefon, auf dem eine zu deepfakende Datei gespeichert ist und das bei einer Schießerei abhanden kommt – wie landet die Fake-Datei dennoch in den Medien, war sie in einer Cloud gespeichert oder hinkt hier das ohnehin dünne Drehbuch?
„Ein Colt für alle Fälle“ ist hier nicht die einzige Kult-Referenz, mal ganz abgesehen von den ganzen eingebauten Achtziger-Hits. Colt war angeblich im Stuntteam von „Miami Vice“, weshalb er noch 40 Jahre später die Jacke von damals trägt, obwohl sein Darsteller erst 1980 geboren wurde. Mit Dan wetteifert er im Zitateraten zwischen „The Fast And The Furious“ und „Der letzte Mohikaner“. Überhaupt finden Anspielungen auf Actionfilme permanent Einlass, in Darstellung, Zitat und Effekt. Warum also muss es ausgerechnet der Titel „The Fall Guy“ sein? Zumal die alte Serie aus Sicht eines Erwachsenen mit austariertem Sozialbewusstsein auch nicht nur keinen Spaß mehr macht, sondern einen die Charaktere auch noch erheblich abstoßen, ähnlich wie bei „Trio mit vier Fäusten“. Was für arrogante Machos! Immerhin damals schon fiel uns auf, wie albern Colt selbst auf gerader Strecke immerfort an seinem Lenkrad herumwackelt, das macht der Colt im Film nicht mehr.
Zum Abspann hin bringt der Film einiges Guckenswertes: Zum einen bekommt man den Trailer des Films „Metalstorm“ zu sehen, zum anderen Szenen vom Dreh, der offenbar wirklich mit Stuntmen erfolgte, was man im Film allerdings nicht sieht, weil alles mit der üblichen CGI-Tünche übergepinselt wurde, aber wenigstens steckt ehrliche Arbeit drin, und zum dritten treten Lee Majors und Heather Thomas zuletzt als Polizisten auf, um die Drahtziehenden einzukassieren. Ehrlich, selbst Lee Majors heute sieht mehr wie Colt Seavers damals aus als Ryan Gosling. So ist „The Fall Guy“ ein meta-humorvolles, actionsreiches, etwas zu lang geratenes Loblied auf den „Unknown Stuntman“, für den es bei den Oscars noch immer keine Kategorie gibt – aber sicherlich kein „Colt für alle Fälle“.