Von Matthias Bosenick (10.11.2017)
Trotz einiger Hits in den Achtzigern erinnert sich fast niemand an die Blow Monkeys. „The Wild River“ ist dabei nicht einmal eine Comebackplatte, die erschien bereits vor fast zehn Jahren, seitdem sind sie kontinuierlich aktiv, unbeachtet von den Massen. Musikalisch schließt „The Wild River“ dabei nicht an die einstigen Erfolge an, nicht einmal an die jüngeren, etwas rockigeren Alben, sondern eher an das Solodebüt des Sängers Dr. Robert, „Realms Of Gold“ von vor 23 Jahren: an Erwachsene gerichtete soulige Midtempo-Popmusik mit Folkeinschlag und Saxophon. Ohne die Stimme von Dr. Robert wäre das sicherlich nicht halb so goutierbar.
Die Beschreibung klingt wie die Musik: gepflegt langweilig. Versiert gespielt, aber kaum noch aufregend. Gezupfte, unverstärkte Fünfziger-E-Gitarre, Streicher, dezente Chöre, Flöten, bisweilen Besenschlagzeug, das erwähnte Saxophon, dazu nette Melodien, Arrangements und Harmonien, also größtenteils harmlos. Verwirrend ist, dass einem manche Melodiefragmente vertraut vorkommen, aber nicht von den Blow Monkeys, sondern von anderen Bands, da setzt dann ein fröhliches Assoziieren ein, das indes von „The Wild River“ ablenkt: Ein Bisschen „Hotel California“ in „On The Wings Of The Morning“, ein bisschen „Riders On The Storm“ in „An Act Of Faith“.
Und doch, die Musik hat eine unbestreitbare Qualität. Man hört, dass der Band bewusst ist, dass sie niemandem etwas zu beweisen hat und dass sie kein Stück interessiert, wer was über das Album sagt. Eine gewisse Fantreue ist den Blow Monkeys dabei gewiss: „The Wild River“ erfuhr eine erfolgreiche Finanzierung über Pledge. Hört man sich dann durch die Discographie, erkennt man Spuren des Frühwerks auch im jüngsten: den latenten Wavepopeinschlag vom Debüt „Limping For A Generation“, den Funk und den Soul von „Animal Magic“ mit der ersten Erfolgssingle „Digging Your Scene“. Vertraut sein dürfte „Dirty Dancing“-Guckern noch der Song „You Don‘t Own Me“, im Sound dem neuen Album nicht unähnlich.
Aus blendet die Band hingegen das musikalische Gewand der folgenden Erfolgssinglezeiten, also ab „It Doesn‘t Have To Be This Way“ (nicht zu verwechseln mit „It Doesn‘t Have To Be“ von Erasure aus dem selben Jahr, 1987). Trotz der Erfolge von „Choice?“ und „Wait!“ Ende der Achtziger erfährt auch der House-Sound jener Tracks keine Berücksichtigung. Danach unterbrach die Band ihre Aktivitäten für anderthalb Dekaden, Dr. Robert machte Solo weiter. Und obwohl The Style Council vollständig an „Realms Of Gold“ beteiligt waren (wenn auch nie an denselben Liedern), klingt es weniger glatt als das erklärte Fassadenpopduo aus Paul Weller und Mick Talbot.
Ungefähr auf Höhe jenes Sounds befindet sich nun auch „The Wild River“. Ernsthaft, dabei leicht und handwerklich in jeder Hinsicht ausgefeilt. Eine dringende Kaufempfehlung ist zwar nicht auszusprechen, eine Warnung indes auch nicht. Kann man mitnehmen, muss man aber nicht. Ist etwas für eine intellektuelle Tageszeitungslektüre und ein Glas Rotwein. Tut nicht weh und macht damit beinahe sogar Spaß, erwachsenen.