Von Matthias Bosenick (19.09.2023)
„Babsi ist tot“, behauptete die Band The Arch 1986 auf ihrer Debüt-12“ „As Quiet As“, und wer die Band nun in den Grufticlubs als One-Hit-Wonder abtut, übersieht den zweiten Hit „Ribdancer“ aus dem Jahr 1990 – und den Umstand, dass die Belgier seitdem kontinuierlich Alben herausbringen, wenn auch in gebührlichem Abstand. „Sanctuary Rat“ ist das siebte Album in 27 Jahren, und darauf eint das Quartett die Elemente, die es berühmt machten, aber transferiert in die Gegenwart: elektronische Sounds, darin eingebettete E-Gitarren, dramatischen männlichen Gesang, zudem eine Musik, die so ähnlich auch in den Neunzigern hätte erstellt werden können, also eher retro erscheint, was insofern nicht schlimm ist, als dass es sich bei The Arch nicht um Newcomer handelt, die die Plattensammlung ihrer Eltern plünderten und nachspielen; eine Musik, die gleichzeitig taufrisch produziert ist und klarer klingt, als es in den frühen Neunzigern möglich gewesen wäre.
Da hat sich bei The Arch einiges getan seit Ende der Achtziger, Beginn der Neunziger, auch wenn sie den damals typischen Wavesound bis heute pflegen. Die neuen Songs sind dichter, konzentrierter, atmosphärisch überzeugender als damals, und auch, wenn es The Arch gerade mit dem sperrigen Sound gelang, Untergrund-Hits zu landen, gefällt dem gereiften Ohr die Weiterentwicklung. Die E-Gitarre etwa sägt nicht mehr wie in „Ribdancer“, sondern fügt sich ein in einen elektronisch generierten Popsound, ergibt mit ihm also ein rundes Bild. Dem sich der Gesang bestens anpasst, immer noch dramatisch, aber gelassener, weniger aufgebracht als in „Babsi ist tot“. Die „Sanctuary Rat“ hat einen fetten Sound, die Band spielt energetisch, kompakt, gleichzeitig songorientiert und verspielt. Mit den Synthies generiert das Quartett Modulationen und Effekte, die die melodischen Stücke bereichern und verzieren. Trotz der dunkleren Färbung dieser Songs ist das Gesamtbild poppiger als früher, das Gruftige liegt in der emotionalen Inbrunst, plakative schlechte Laune hat das Quartett nicht nötig, was heute dunkel klingt, ist gefühlt. Zwischen kraftvolle Synthiepoprocksongs passt auch mal eine beatlose Ballade, die Mischung ergibt einen variantenreichen Stimmungsbogen.
Die Kombi aus Synthies und E-Gitarren war seinerzeit nicht so selten, The Fair Sex oder The Neon Judgement klingen beispielsweise an; „Sanctuary Rat“ ist eine nachvollziehbare Fortentwicklung, soundmäßig aktuell mit Blick auf die Wurzeln. Man mag das Kürzel EBM gar nicht bemühen, das passt nicht so richtig, es suggeriert mehr Körperlichkeit, als The Arch tatsächlich liefern – die haben mehr Seele.
Textlich bedient sich das Quartett gern bei anderen Quellen, so stammt „Laments Of An Icarus“ von Charles Baudelaire. Den Text des physikalisch betitelten „9.81“ lieferte Lou De Buyser, mit dem The Arch schon in den Achtzigern zusammenarbeiteten. Für „Gorilla Kiss“ verpflichteten sie Bart Azijn, der ebenfalls bereits seit den Achtzigern im belgischen Untergrund seine Spuren hinterlässt, etwa bei Aimless Device. Die Band The Arch aus Breendonk besteht heute aus den vier Musizierenden Gerd van Geel alias CUVG, Ian Lambert, Ivan D.C. sowie Mr Pierre, der Pieter de Clercq ersetzt. The Arch ist nicht tot, die riechen nicht mal komisch!