Von Matthias Bosenick (01.10.2019)
Mit der dritten Ausgabe des zweitjüngsten Mediums im Die-Drei-Fragezeichen-Kosmos machen die Autoren einen Schritt zurück, verglichen mit der zweiten, was womöglich daran liegt, dass es im Kreise der Erschaffer einen Wechsel gab: Für den neuen Comic „Das Ritual der Schlangen“ stand Ivar Leon Menger nicht mehr zur Verfügung, und der ringt seiner Feder zumeist überaus gehaltvolle Geschichten ab. Sein Nachfolger, der gebürtige Braunschweiger Calle Claus, macht seine Sache ganz gut, aber nicht besser: Das Medium Comic hat mehr zu bieten, als Claus mit Christopher Tauber und Asja Wiegand in „Das Ritual der Schlangen“ ausschöpft. Zudem lässt es die durchaus spannende Hexengeschichte viel zu sehr an Rocky-Beach-Atmosphäre vermissen.
Dieses Mal ist
Gelb die dominierende Farbe. Die Sequenzen außerhalb der Hexengeschehnisse sind,
anders als bei den beiden Vorgängerbüchern, durchweg bunt koloriert, alles
mystisch-magische ist schwefelhaltig Schwarzgelb, was die übersinnliche und
bedrohliche Wirkung der Szenen unterstreicht. Manche damit zusammenhängende Geschehnisse
lassen sich gezeichnet effektiver unterbringen, als wenn man sie ausschweifend
erklären müsste: Schwebende Hexen während eines aus dem Ruder laufenden Rituals
erschrecken betrachtet mehr als beschrieben. Diese Aspekte des Mediums Comic
schöpfen die Gestalter also gekonnt aus, alles Andere, wie visuell eingestreute
Rätsel oder Hinweise, lassen sie indes ungenutzt am Wegesrand liegen.
In dieser Geschichte sehen sich die drei Juniordetektive aus Rocky Beach mit
einem mit drei Schlangen vorgenommenen Hexenritual konfrontiert, das den sieben
Teilnehmern eine persönliche Zukunft aus Chaos, Tränen und Weltuntergang
prophezeit. Einzig ein binnen drei Tagen vollzogenes Konterritual mit diesen
Schlangen würde dem drohenden Szenario etwas entgegensetzen, doch noch bevor die
Teilnehmer es praktizieren können, werden die drei Reptilien gegen Lösegeld
entführt. Da neben Justus, Peter und Bob nur Justus‘ Tante Mathilda als
Bekannte an dem Prozedere beteiligt waren, stehen für die Ermittler die drei
übrigen Trostsuchenden im Verdacht: Dabei handelt es sich um einen millionenschweren
Investor, eine Zeitungsredaktionsleiterin und einen Immobilienmakler. Als unschuldig
erachten die drei Detektive derweil die Hexe und deren Enkelin, da Chefspukerin
Daphne de Vol eine Freundin von Tante Mathilda ist.
Die Geschichte ist nett, aber inklusive Lösung in ihren Grundzügen bekannt und auch
recht simpel. Justus, Peter und Bob ermitteln nicht, sondern beschatten
lediglich und machen zufällige Entdeckungen. Spontan auftretende
Spukerscheinungen tragen nicht ganz die Schwere, die sie eigentlich
transportieren wollen; zudem ist es unwahrscheinlich, dass eine Zeitung an
einem Tag wegen solcher Geschehnisse gar nicht erscheint, vielmehr würde die Redaktion
genau daraus eine Sonderausgabe machen, auch ohne festes Layout. Die Einleitung
mit dem nervenden Stuhl ist viel zu konstruiert, der damit verbundene
Schlusslacher indes herzerweichend. Überhaupt endet der Fall angenehm harmonisch,
was bei dem Setting nicht zu erwarten war. Dennoch bleibt ein Gefühl zurück,
man hätte etwas versäumt, als wäre der verfügbare Raum für die Graphic Novel
nicht optimal genutzt, die Geschichte nicht intelligent genug ausgearbeitet
worden, als wäre Rocky Beach nicht mehr als eine Kulisse für eine ausgewalzte Kurzgeschichte.
Da macht sich das Fehlen Mengers bemerkbar.
Zudem nerven die inhaltlichen und Rechtschreibfehler enorm, da hat das Lektorat
erheblich versagt. Aus Oma Daphne wird einmal eine Tante; das wäre ja, als
nannte man Mathilda Justus‘ Mutter. Die Text-Koryphäen schreiben dieses Wort
tatsächlich mit I statt Y, und dem Silicon Valley dichten sie einen zusätzlichen
Buchstaben an. Solches ist unfassbar schlimm.
Und dennoch, man blättert gern wieder und wieder in dem Buch herum, es ist ja ansprechend
gezeichnet und bietet einen anderen Weg nach Rocky Beach an, als Textbuch,
Hörspiel, Hörbuch (das jüngste Medium in dieser Reihe), Livelesung,
Vollplaybacktheater, Game, Brettspiel, Kinofilm oder Speiseeis. „Das Dorf der
Teufel“ war aber besser. Und es fehlt noch die CD vom Planetarium-Hörspiel zu „Der
dreiäugige Totenkopf“, das war sogar besser als das Buch. Wohl, weil Menger
selbst daran mitarbeitete. Wie er hier fehlt!