Von Guido Dörheide (14.04.2025)
Tara Nome Doyle stammt aus Berlin und hat irische und norwegische Vorfahren. Nach „Værmin“ aus 2022, das von vermeintlich ekligem Ungeziefer handelte, greift die Künstlerin für ihr aktuelles Album wieder auf eine norwegische Schreibweise zurück, nämlich auf die von Echo, der Bergnymphe aus der griechischen Mythologie, die dazu verdammt war (wer war eigentlich in der griechischen Mythologie nicht dazu verdammt, andauernd irgendetwas Beklopptes zu tun, außer Zeus, diesem pervers abartigen, hochgradig lüsternen und stets übergriffigen Göttervater-Monster? Der tat stattdessen andauernd verdammt Abscheuliches), andauernd zu wiederholen, was man ihr zuletzt gesagt hatte. Echo verliebt sich in Narziss, der es aber irgendwie mit einer Beziehung nicht geschissen kriegt (vermutlich aufgrund seiner narzisstischen Persönlichkeitsstörung) und sich lieber in sein eigenes Spiegelbild verliebt, um dann in dem See zu ertrinken, in dem er sich spiegelte. Die einen töten ihre Söhne, die anderen machen eben sowas. Toll.
Richtig toll hingegen ist „Ekko“, das aktuelle Album von Tara Nome Doyle: Während ihr Debüt „Alchemy“ noch düsterer Singer-Songwriter-Dreampop-Indie war und „Værmin“ neben Taras Stimme sehr von elektronischen Beats geprägt wurde, klingt „Ekko“ musikalisch sehr reduziert und lässt der Stimme mehr Platz, als die Hörenden manchmal zu ertragen imstande sind.
Das Titelstück, mit dem das Album beginnt, ist ein sphärisches (mir fällt gerade kein passenderes Wort ein als dieses wahrhaft abgeschmackte) Instrumental, und „Heaven In Disguise“ wird von Doyles Stimme getragen und ist sparsam mit Klavier und Synth-Streichern instrumentiert. So gelingt ein leiser, langsamer Einstieg in das mit 30 Minuten leider sehr kurze Album. Das ist aber auch schon der einzige Kritikpunkt. Noch während „Heaven In Disguise“ tritt auch ein elektronisches Schlagzeug auf den Plan, Gesang und Melodie bilden aber während der gesamten viereinhalb Minuten das, was den Song ausmacht und woran die Hörenden sich festhalten können. Tara Nome Doyle verfügt über eine Stimme, die man sich nicht vorstellen kann, also sollte man mal reinhören, am besten in „Heaven In Disguise“.
„The Overgrown Path“ beginnt ebenfalls mit einem wunderschönen Klavier und Doyles Stimme. Und so bleibt es auch. Der Text ist rätselhaft und ebenfalls wunderschön. „Don’t let the times you were hurt define what you are worth. We accept the life we think we deserve.“ Wunderschön und wert, mal drüber nachzudenken.
„Lighthouse“, ein Song, der mich mit seiner großartigen Melodie und seiner hingehauchten Synthesizermusikuntermalung sehr gefangennimmt, handelt von Selbstwertgefühl, Selbstachtung und Selbstzweifeln. „You learned to cut yourself up into bite-sized portions, praised for when you bow your head In sweet devotion ‚cause everybody loves a thornless rose. But that’s not how they grow.“ Das ist nicht nur schön, das ist traurig, tragisch und ziemlich weise. „Take me to your lighthouse, but you can turn the lights out. No more words to say, no more parts to play. Covered in their doubts, turn you inside out, that’s a lot of blame. You don’t have to hide away, you don’t have to hide, no.“ Solche Texte wären mir mit 27 nicht eingefallen, Tara Nome Doyle hingegen schon.
Nach meiner Begeisterung für „Værmin“ mit all seinen elektronischen Sounds hätte ich nicht gedacht, dass mich ein musikalisch derart reduziertes Werk wie „Ekko“ ebenso heftig für sich einnehmen könnte. Ich habe zugegebenermaßen auch mehr Durchläufe gebraucht als bei „Værmin“, aber inzwischen gefällt mir „Ekko“ ebenso gut. Bei jedem neuen Anhören umhauen tut mich „I Used To Fly“: Nur mit Klavier und irgendeinem nicht greifbaren Synthesizerflirren begleitet, singt Tara Nome Doyle mit einer komplett zerbrechlichen, wenn nicht schon zerbrochenen Stimme davon, dass alles irgendwie zerbrochen, kaputt und vergangen ist („Love in decline / Passing me by / Caught in the light / I used to fly“), mit Fliegen ist auf jeden Fall jetzt nicht mehr viel.
Ähnlich zerbrechlich („zerbrochen“ gefällt mir irgendwie besser und erscheint mir passender) geht es weiter und mit „Hinter den Wolken“ endet das Album mit einem tröstlichen Lied mit deutschem Text.
„Ekko“ ist ein großartiges Album, das mit jedem Durchlauf wächst und mehr und mehr begeistert und das man sich nicht überhören kann. Es klingt tieftraurig und wunderschön und ganz ehrlich – nach „Værmin“ hätte ich nicht nur nicht erwartet, dass Tara Nome Doyle dieses Werk noch übertreffen könnte, ich hätte nicht einmal erwartet, dass sie mit etwas Ebenbürtigem aufwarten würde. Nun hat sie beides hingekriegt. Hammer.