Von Guido Dörheide (01.10.2022)
Ei gude, liebe Krautnick.de-Lesende! Deutscher Thrash Metal 2022: Erst Destruction, dann Kreator, auch das bereits 2020 erschienene neue Sodom-Album lässt unsere Trommelfelle noch immer erzittern, und nun liefert auch die Nummer 4 der Big Four of Teutonic Thrash ein neues Album (nicht No. 4, sondern bereits Nr. 18 in ihrer seit 40 Jahren andauernden Karriere) ab: Pavlov‘s Dawgs. Mit dem Cover-Artwork machen Tankard aus Frankfurt am Main wieder einmal aufs Neue deutlich, dass sie mutmaßlich den „Alcoholic [Thrash] Metal“ erfunden haben, auch der Refrain der Vorab-Single „Beerbarians“ geht in diese Richtung: „They’re calling us Beerbarians – Spreading out around the globe – We’re Cosmoproletarians“. Cosmoproletarians – sowelche Wortneuschöpfungen muss man sich erstmal auf der Zunge zergehen lassen, bzw. mit einem Pint Ebbelwoi runterspülen. Den Konsum weingeisthaltiger Erfrischungsgetränke zu glorifizieren geißele ich selbstredend als Teufelswerk und sowohl ich als auch Krautnick.de in seiner Gesamtheit lehnen sowas total ab – aber den wackeren Jungs um Andreas Fritz Johannes „Gerre“ Geremia nimmt man selbst den albernsten Blödsinn ab, ohne ihnen ernsthaft böse sein zu können.
Was seinen Grund nicht allein darin hat, dass Tankard eine durch und durch sympathische Band sind, die sich und dem Stil des unverfälschten, sozusagen trven Thrash Metal immer die Treue gehalten haben, die seit über anderthalb Jahrzehnten die Eintracht-Frankfurt-Hymne „Schwarz-Weiß wie Schnee“ im Waldstadion zu singen befugt sind und deren Grundsatz seit Jahren ist, trotz aller Sauftexte niemals alkoholisiert eine Bühne zu betreten, weil die Fans schließlich dafür gezahlt haben, dass die Künstler auf der Bühne im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte sind und für die Fans alles geben, was sie können.
Nein, ein Teil des Grundes liegt darin, dass Tankard musikalisch wirklich ernst machen und dem Thrash Metal, wie er sein sollte, ein Denkmal nach dem anderen setzen, und dass es auch die Texte in den nicht schankwirtschaftlich ausgerichteten Songs Wert sind, einmal genauer angehört zu werden.
Aber von vorne: Mit rund 55 Minuten ist die Spielzeit für ein von mir rezensiert werdendes Album ungewöhnlich lang – ich bin es gewöhnt, nach knapp über einer halben Stunde Musikhörens meine Meinung zu dem eben Gehörten in die Tastatur zu kloppen, aber für Tankard mache ich gerne eine Ausnahme: 7 der 10 Songs auf „Pavlov‘s Dawgs“ sind länger als 5 Minuten und machen Laune, ohne zu langweilen. Das albumstartende Titelstück beginnt mit Bass und Schlagzeug, sehr langsam für Thrash-Verhältnisse, dann nimmt die Gitarre das Thema auf – beinahe doomig, und ab eine Minute zehn wird dann das Tempo angezogen, der Song rattert sehr sehr schön vor sich hin und Gerre beginnt zu singen. Und dieser Gesang klingt monoton-aggressiv und mir fällt spontan keine andere Metal-Stimme ein, an die mich das erinnert – Gerre personifiziert definitiv eins von Tankards Alleinstellungsmerkmalen. Gitarrist Andreas Gutjahr ist seit einem knappen Vierteljahrhundert an Bord und prägt seitdem ebenfalls den für meine Ohren schön harten Tankard-Sound, Bassist Frank Thorwarth ist seit Anfang an dabei und Drummer Olaf Zissel haut ebenfalls schon seit 1994 auf die Trommeln. Tankard präsentieren somit ein über Jahrzehnte konstantes Line-up, wie es sonst im Thrash Metal nur Metallica vorweisen können, und sie haben dennoch dabei niemals vergessen, die Snare Drum zu spannen.
„Seit 40 Jahren dabei, aber immer noch informiert“ – dafür steht aus meiner Sicht das Stück „Ex-Fluencer“: Ich persönlich finde es ja immer schon scheiße, dass es mittlerweile eine Berufsbezeichnung gibt, die sich ausgesprochen so anhört wie die Grippe, aber bei ganz vielen Leuten total gut ankommt, und Tankard äußern sich nun endlich mal recht profiliert dazu: „Ex-fluencer, then she ran. Being the victim of Instagram.“ Gefällt mir persönlich gut.
Insgesamt stelle ich fest, dass das ganze Album hervorragend funktioniert: Gerres aggressiver, aber sich niemals aufdrängender Gesang, die innovativ herumdonnernden Saiteninstrumente und das immer präsente, sauschnelle Schlagzeug machen das Cover-Artwork schnell vergessen und verdeutlichen wieder einmal mehr, dass Tankard eine ganz, ganz wichtige Konstante im teutonischen Thrash Metal darstellen.