Von Matthias Bosenick (12.02.2024)
Ob William Shakespeare Gefallen an dieser Adaption seines Stückes „The Tragedy Of Macbeth“ gefunden hätte? In wieweit eine umfassende Kenntnis des Textes erforderlich ist, um Zugang zu „Swanz The Lonely Cat’s Macbeth“ zu finden, lässt sich ohne diese kaum ermitteln; auch ohne sie ist das Album zumindest eine Einladung zu einer reichlich ungewöhnlichen Reise. Grundsätzlich im Oldschool-Industrial grob nach Art von beispielsweise SPK angesiedelt, bringt Luca Swanz Andriolo, der hinter dieser Arbeit steckt, auch harmonische, melodiöse Elemente, Spoken-Word-Passagen, einigermaßen wiedererkennbare Instrumente sowie beklemmende Soundscapes und Drones unter. Man könnte es beinahe als Hörbuch auffassen oder als Tonspur einer düsteren Filmumsetzung des Stoffes – man fühlt sich in Schwarzweiß und permanent bedroht. Das muss man erstmal hinbekommen!
Die Art Industrial, die Andriolo hier zur Umsetzung bringt, ist nicht die rhythmische, die auf den EBM-Tanzfluren Einlass fand, und erstrecht nicht die mit den Metal-Gitarren drin. Hier dominiert Leere, man wähnt sich von Finsternis umgeben, Andriolo ruft die Sounds wie Found Footage oder Field Recordings auf und gestaltet eine Narration daraus, die man nicht zwingend mit Macbeth in Verbindung bringt, die einem indes jeden erdenklichen Horror über den Rücken laufen lässt. Mit Hall erklingen Geräusche, Effekte, dezidiert und verfremdet, ein großer Raum umgibt das Geschehen, man verliert die Orientierung und fühlt sich unsicher. Jede eingestreute vertraute Sekunde verstärkt das Unwohlsein, weil man in solch abstrakter Atmosphäre nicht mit Harmonien oder gar Orgel, Akkordeon, Mandoline oder Trompete gerechnet hätte, die der Musiker zudem stets mit angenehm unangenehmen Geräuschen begleitet. An anderer Stelle intensiviert Andriolo das Grauen mit harschen, kreischenden, extremen Noises, nur nie so schlimm, dass man das Album ausschalten möchte. Man bleibt dran. Und gelegentlich hört man jemanden auf Italienisch Shakespeares Textauszüge flüstern.
Auf zwei Tracks verteilt Andriolo seine Vision von „Macbeth“, beide über 25 Minuten lang. Die Quasi-A-Seite „A Walking Shadow“ besteht aus sich verändernden Räumen und Landschaften, laut Discogs sogar in zwölf Abschnitte unterteilt, die „Macbeth Suite“ ist in ihrem Ablauf homogener, aber kaum weniger verzweifelt. Es ist sicherlich kein Spaß, als machtgeiler Mensch auf seinem egomanischen Weg auch noch von drei Hexen verfolgt zu werden, die einem ständig Fiesheiten einflüstern, aber das hat man dann ja so gewollt und soll nicht jammern. Den Begleitenden bleibt von dieser Horror-Geschichte ein schöner Soundtrack – schön düster.
Swanz The Lonely Cat also. Unter diesem Alias veröffentlichte Andriolo vor sieben Jahren ein Cover-Album und drei Jahre später eine 7“, sonst nichts. Ein weiteres Alias ist Dead Cat In A Bag, unter dem hat er vier Alben und eine 7“ veröffentlicht. Mit Francesca Musnicki formt er überdies das Duo Electrostrings. Zudem tritt er als Gast bei diversen anderen Künstlern in Erscheinung, zwischen Blues, Indierock, Gothic, Ambient und Dark Folk, und dies dann auch gleich als Multiinstrumentalist, was erklärt, wie solche Sounds wie die der diversen Instrumente auf seine Macbeth-Variante kommen – er hat sie vermutlich selbst eingespielt.
Als Grafiker ist wie bei vielen Veröffentlichungen Andriolos der Plastikwombat eingespannt. Dabei handelt es sich um Silvia Paulà und Paolo Grinza, das den zerwuschelten Musiker regelmäßig vor seine Linse nimmt. Ja, da tut sich ein Universum auf, wenn man nur mal jemanden etwas in seinem Shakespeare blättern lässt. Der Trip lohnt sich und ist eine Einladung zu mehr.