Stick Men – Brutal – Iapetus Media 2025

Von Matthias Bosenick (03.09.2025)

Live-Alben gibt es vom international besetzten Trio Stick Men haufenweise, die letzte Studio-EP „Tentacles“ hingegen ist bereits drei Jahre alt und erschien ihrerseits sechs Jahre nach den vorhergegangenen Studioarbeiten. Deshalb fasst die 2009 ins Leben gerufene Instrumental-Band die neue EP „Brutal“ auch als Ankündigung für ein neues Album auf. Der Titel führt partiell in die Irre: Nicht alle der fünf Tracks sind brutal, einige üben sich in entspanntem Chillen. 25 Minuten zwischen Primus-Bass, Heaviness, Prog-Atmosphäre, Funk und Gothic-Anleihen.

Es ist, als wollten die Stick Men mit dieser Handvoll Tracks ihre weit gefächerte Bandbreite ausbreiten. Der eröffnende rockige Titeltrack erinnert mit seinem zickigen, massiven Bass an Les Claypool und Primus. Dieses Stück macht dem Titel einige Ehre, übrigens als einziger tatsächlich auch verbal wahrnehmbar, passend verfuzzt gesprochen nämlich. Noch brutaler gerät danach der „Fandango“, der sich gut und gern als heavy bezeichnen lässt. Umso stärker fällt der Bruch zu „The Well“ aus, das chillig und atmosphärisch den Prog-Anteil des Trios in den Mittelpunkt rückt. Den verfeinern die drei in der „Bash Machine“ zu einem groovenden Gemisch aus Funk und Swing, fahren ihn fürs finale „Pulp“ aber wieder herunter. Der ruhige Rauswerfer erinnert in Sachen Schlagzeug und Arrangement zunächst an The Cure, steigert sich aber alsbald und lässt der Gitarre einen ungruftigen Raum fürs Gniedeln.

Insgesamt lässt sich die Neigung zu Progressivität und Experiment bei dieser EP deutlich heraushören. Gleichwohl die fünf Tracks grundsätzlich vertrauten Rhythmen folgen und nicht komplett frei strukturiert sind, man sie mithin durchaus als Rockmusik wahrnehmen und genießen kann, verbergen die drei Beteiligten nicht ihre Sozialisationen.

Diese Beteiligten sind Tony Levin an den Bässen, Pat Mastelotto an den Schlagzeugen und Markus Reuter an den Gitarren. Mehrzahlen sind hier bewusst gesetzt, denn alle drei setzen jeweils mehr als ein Instrument seiner Art ein. Bandnamensgebend dürfte das Haupt-Instrument von Levin sein, der Chapman Stick, laut Definition eine elektrisch verstärkte Griffbrettzither, die hier mit ihrem Charaktersound den Part des Basses übernimmt. Strenggenommen kann überdies gar nicht Levins Instrument den Bandnamen beeinflusst haben, denn der rückte erst später für Gründungsbassist Michael Bernier nach. Mastelotto setzt akustisches und elektronisches Schlagzeug ein und Reuter als einziger nur eine Gitarre, und zwar die U8 Deluxe von Touch – falls das weiterhilft.

Guckt man jetzt bei den dreien in die Vita, gehen einem vor Staunen die Augen über – und man begreift, warum „Brutal“ so progressiv klingt, wie es klingt. Reuter ist mittlerweile auf diesen Seiten einigermaßen etabliert, nicht nur via Truce oder zuletzt Anchor And Burden. Zudem war er in den Neunzigern Teil von The Crimson Projekct, kein Tippfehler, das mit Adrian Belew die Prog-Miterfinder King Crimson begleitete. Dort waren auch Mastelotto und Levin im Einsatz. Abgesehen von diversen weiteren Projekten mit Prog-Bezug war Mastelotto außerdem Schlagzeuger bei den Achtziger-Radiorockern Mr. Mister. Auch Levin lässt sich im weiteren Prog-Universum verorten, wie der Drummer vornehmlich mit King-Crimson-Bezug. Bei so viel Betätigung ist es kein Wunder, dass die Stick Men so selten zum Aufnehmen kommen – dabei gibt es eine überraschende Menge an Musik von ihnen zu erwerben.