Von Guido Hörster (24.10.2012)
Da ist sie nun also, Hacketts zweite „Retro-Werkschau“ seiner eigenen musikalischen Vergangenheit.
War beim Erstling („Genesis Revisited“, 1996) noch der Ansatz, durch teilweise abenteuerliche Neuarrangements den alten Genesis-Klassikern neue Aspekte abzugewinnen, was imho zumindest im Instrumentalteil von „Firth Of Fifth“ in die Hose ging, ging es Herrn Hackett diesmal darum, die Songs weitgehend werkgetreu neu einzuspielen, um dank der 35-40 Jahre jüngeren Studiotechnik Nuancen herauszuarbeiten, die damals im detailärmeren Klangbild einfach drohten, unterzugehen.
Und tatsächlich – ist man in der Lage, die zwangsläufig nicht wie Gabriel bzw. Collins klingenden Stimmen der Gastsänger mental auszublenden, hat man im direkten Vergleich häufig den Eindruck, die Originale klängen, als stünden die Boxen hinter einem Vorhang. So viel differenzierter und klarer kommen die Neueinspielungen aus den Boxen.
Die instrumentale Werktreue freilich erzeugt für mich ein unerwartetes Problem: Die alten Genesis-Scheiben hat man meistens nicht song-selektiv, sondern am Stück gehört, sodaß sich in der Hörerwartung eine bestimmte Reihenfolge bei den Songs einstellt. Dieser wurde Hackett zwar bei der Kombination „Horizons“ mit nachfolgendem „Supper’s Ready“ gerecht, sodaß ich ihm den gefühlt 1317. Aufguß seines Signatur-Stückes verzeihe, aber nach dem bombastischen Finale von „Entangled“ erwarten meine Ohren eigentlich „Squonk“, welches hier nicht vertreten ist.
Die Songzusammenstellung ist ansonsten soweit ok, wobei ich nach mehrerem Hören schon den Eindruck habe, daß das Ganze auch noch ein Ideechen besser hätte sein können. Z.B. hätte „The Return Of The Giant Hogweed“ als Song der Gabriel-Ära besser auf CD 1 zu den restlichen Gabriel-Songs gepasst. Dafür hätten die vier Solostücke, die laut Booklet Bezüge zu Genesis haben, teils, weil sie von den übrigen Mitgliedern abgelehnt worden waren, teils, weil es sich um Co-Kompositionen mit anderen Genesis-Mitgliedern handelt, besser auf eine Bonus-CD gepasst – obwohl selbst bereits Klassiker im Schaffen Hacketts, fehlt ihnen doch im Vergleich die Dichte bei Komposition bzw. Arrangement. In der gleichen Zeit passiert in einem Genesis-Song einfach mehr.
Zur Werktreue: Hier hat Hackett sich wirklich erstaunlich selbst diszipliniert: Spontan fallen nur die neuen verlängerten Intros von „Dancing With The Moonlit Knight“ und „Blood On The Rooftops“ auf, außerdem hat er ein Keyboard-Solo in „Supper’s Ready“s „Apocalypse in 9/8“ teilweise durch ein Gitarrensolo ersetzt. Als Teil eines Musikerkollektivs mußte er bei Genesis aber sicher öfters auch mal beim Arrangement Abstriche machen, wenn es darum ging, wie präsent seine Gitarre im Klangspektrum abgemischt wird.
Zur Auswahl der Sänger:
Einige versuchen, durch eigene Phrasierungen eine persönliche Note zu hinterlassen, was zumindest bei Mikael Åkerfeldt (Opeth), Steven Wilson (Porcupine Tree) und Gary O’Toole (langjähriger Hackett-Drummer und live schon „Blood On The Rooftops“-erfahren) gut funktioniert.
Simon Collins singt seinen „Supper’s Ready“-Part ungefähr so, wie Papa Phil das auf der Liveversion der „Seconds Out“ 1977 machte.
Francis Dunnery bekommt für sein „Dancing With The Moonlit Knight“ den 1. Preis als bester Gabriel-Imitator, dafür fällt Nad Sylvan bei „The Chamber Of 32 Doors“ und „The Musical Box“ völlig durch – er versucht so krampfhaft nach Gabriel zu klingen, daß er auf eine unfreiwillig komische Weise an Fishs Gesang zu Marillion-Zeiten erinnert.
Als Fazit bin ich wirklich zwiegespalten:
Einerseits verehre ich die alten Genesis-Songs wie nichts Zweites und freue mich über die „Aktualisierungen“ im differenzierteren Klangbild,
andererseits waren die Originale auch so erhaben, daß man eigentlich nichts mehr daran verbessern kann – die Gefahr einer Verschlimmbesserung hingegen ist sehr groß, wobei den Sängern da eine tragende Rolle zukommt.
Einerseits ist es schön, daß die Veröffentlichung zu einer dazugehörenden Tour führt (ich suche noch eine MFG für Mai 2013 von BS nach Hamburg!),
andererseits habe ich aber auch schon irgendwo gelesen, daß augerechnet Nad Sylvan (s.o.) bei Hacketts Tourband der Hauptsänger sein wird.
P.S.: genug Material für ein „Genesis Revisited III“ bleibt immer noch übrig: Mit „Squonk“, „The Cinema Show“ oder z.B. „One For The Vine“ gäbs da noch einiges, auch würde ich gern das von den anderen gehasste „After The Ordeal“ überarbeitet hören.
Herr Hackett sollte sich aber nicht wieder 16 Jare Zeit lassen, denn sonst ist er beim Erscheinen von Teil III 78 Jahre alt.