Von Matthias Bosenick (16.05.2025)
Zwei neue Veröffentlichungen präsentiert Dave Schmidt auf seinem Label Sulatron Records: Mit „Laughter“ das zweite Album der Electro-Noise-Band a/lpaca aus Mantua und mit „Live At The Church“ die Zusammenkunft des prominent besetzten Trios Krautfuzz mit J Mascis von Dinosaur Jr. Zudem weist er darauf hin, dass es die beiden Alben von Minerall jetzt auch auf CD gibt.
a/lpaca – Laughter – Sulatron Records 2025
Diese Band Of Andreas – drei Viertel der Musiker tragen diesen Namen – sortiert sich interessanterweise irgendwo im Psychedelik-Fach ein, macht aber Mucke mit am Industrial geschulten Synthie-Effekten und Lärm, die es beinahe gar nicht zulässt, auch nur eine feste Schublade auszumachen. „Laughter“, das zweite Album von a/lpaca aus Mantua, Italien, dosiert den Lärm formidabel und bindet ihn in den monoton vorgetragenen Was-auch-immer-Rock ein. Das hier ist viel geiler als nur Psychedelic-Rock, eben weil es nicht nur Psychedelic-Rock ist. „Laughter“ ist eine Schatzkiste.
Der Noise Rock liegt einem zuvorderst auf den Empfangssynapsen, wenn man „Laughter“ einschaltet, denn die vier Musiker bratzen ungehemmt los. Diverse Noise-Rock-Helden der Neunziger schimmern als Referenzgrößen auf, aber nicht konkret fassbar, weil a/lpaca gleich weiterlaufen und krautige Monotonie und ungewöhnliche Synthie-Effekte einbauen, das sprengt die gedachten Rahmen sofort. Und geht eine Liaison ein, die hier absolut überzeugt. a/lpaca generieren Energie!
Nicht alles ist hier die volle Powerpackung, a/lpaca wissen zu dosieren und mit Abwechslung die Spannung zu erhöhen. Geht etwa „An Encounter“ druckvoll nach vorn, steht „Balance“ auf der Bremse, zumindest in puncto Lärm und Intensität, denn dieses Stück läuft auf einem langsamen Klickerbeat mit noisigen repetitiven Electro-Samples. „Brano Fantuzzi“ ist dann gleich eine Art Minimal-Electro-Industrial-Track mit freundlichen Handclaps und Lach- und Sprachsamples. Merkwürdige Rhythmen wie in „Empty Chairs“ haben die vier ebenfalls im Repertoire, und gleichzeitig die Fähigkeit, ihren Lärm, ihre Dissonanzen mit harmonischen Elementen zu kombinieren. Und dann gibt’s so beklemmenden Ambient mit minimalem Beat wie in „Kyrie“. Die Band lässt das Album via „Don’t Talk“ mit einem dunkel-minimalistischen Synthie-Pop-Song auslaufen. In die allgegenwärtig untergebrachte Monotonie fügt sich zudem der Gesang ein, sofern er denn auftritt, der auf einer Tonhöhe verweilt und damit den Rest drumherum umso prägender hervorhebt.
Aber Psychedelik? Pustekuchen! „Laughter“ ist ein dunkel schillerndes Kaleidoskop aus Songs zwischen Aggression und Melancholie. a/lpaca gehen hier so vielseitig zu Werke, dass sie den Verehrern des einen Genres gleich mit ganz anderen Genres den Horizont erweitern. Wo kriegt man schon Noise Rock und Minimal Electro auf einem Album?
Drei Musiker heißen bei a/lpaca Andrea: Bassist Andrea Verrastro, Keyboarder Andrea Fantuzzi und Schlagzeuger Andrea Sordi. Nur Gitarrist Christian Bindelli tanzt aus der Reihe. Den Gesang übernehmen bis auf den Schlagzeuger übrigens alle. „Laughter“ folgt auf das Debüt „Make It Better“, das 2021 erschien. Davor gab es einige EPs und Demos, der Auftakt war 2018 „In The Electric Fields“, damals noch mit einem Andrea weniger, denn am Schlagzeug saß Alessio Lain.
Krautfuzz – Live At The Church (feat. J Mascis) – Sulatron Records/Mirror World Music 2025
Eine Elegie in Brumm. Langsam, still und leise schleicht sich das prominent besetzte Impro-Trio mit dem treffenden Namen Krautfuzz an, winkt sich J Mascis hinzu und beginnt allmählich, eine Lärmwand zu errichten. Das Schlagzeug müht sich zwischen jazzig und eigensinnig durch die Gitarrendrones und versucht, diesem Noisebrocken gelegentlich etwas Struktur zu verabreichen. Melodien gibt es hier keine, Gesang nur als dezidiert eingestreute Shouts. Diese Packung dröhnt je nach Format 50 Minuten (Vinyl) oder über eine Stunde lang (CD) am Stück. Eine Wohltat als Replik auf den Wahnsinn des Alltags!
Dabei fängt alles so harmonisch und kuschelig an. Die ersten fünf Minuten vergehen wie in Trance, es sind überhaupt kaum Geräusche zu hören, und wenn, dann heben sie sich nur behutsam hervor. Doch dann erhebt das Gebrüll sein Haupt. Die drei Saiteninstrumentalisten drehen ihre Verzerrer auf und wringen Noises aus den Apparaturen, nahezu konturlos, wie undurchdringliche Nebel, wie manifeste Wolken, und es scheint, als müsse auch die Schlagzeugerin erstmal die Orientierung finden. Die verleiht diesem Brüllgebräu alsbald Struktur, einen stoisch-krautigen Rhythmus, in den das Ensemble dann und wann Shouts einfließen lässt, mit klarer Stimme vorgetragen. Dieser erste Gehirnsturm hält eine Viertelstunde lang an, dann findet das Quartett wieder zu anfänglichen Ruhe zurück, atmet mal durch und lässt auch die Hörenden durchatmen, fiept, brummt, fuzzt, feedbackt beatlos in die Stille und holt doch nur Luft für den zweiten Teil.
Auch dieser zweite Teil beginnt eher kontemplativ, das Schlagzeug groovt sich jazzig ins selbstversunkene Gegniedel, das sich erst allmählich steigert. Dieses Mal gehen die Saiteninstrumentalisten weniger druckvoll vor, sondern lassen es zu, dass man ihnen zunächst noch beim Gniedeln hinterherkommen kann; man hört die Anschläge und die vermittels Pedalen variierten Tonhöhen heraus. Zunächst, denn die drei verfallen abermals in eine Versunkenheit, die sie kompromisslos aufdrehen lässt. Obschon in der zweiten Hälfte einige Konturen mehr herauszuhören sind, ergeben sie insgesamt doch wieder den vertrauten Lärm der ersten Hälfte. Das Schlagzeug pluckert unbekümmert dazu, bald kehren auch die stimmlichen Einwürfe zurück. Auch diese Seite rollt allmählich fuzzy aus.
Man muss es festhalten: „Live At The Church“ ist geil, aber nicht für jede Lebenslage geeignet. Dieser Mitschnitt hat das Potenzial, beim Hören anzustrengen, wenn man nicht in der Stimmung dafür ist. Wer Bereitschaft zu und Freude an Lärmbrocken hat, ist hier indes bestens aufgehoben. Die wissen hier, was sie tun, und sie tun es gut.
Die im Titel genannte Church ist wirklich eine: In der Kirche der Berliner Genezareth-Gemeinde fand dieser Auftritt am 15. Juni 2024 statt. Eingeladen hatten Krautfuzz, als Gast ließ sich J Mascis von Dinosaur Jr nicht lang bitten. Zum Kerntrio gehören Schlagzeugerin Imari Kokubo, Bassist Derek Shirley und Gitarrist und Stimme Dirk Dresselhaus. Da klingeln so einige Glöckchen: Shirley und Dresselhaus allein bringen eine mehrbändige Enzyklopädie der geilen Bands zusammen. So war Shirley bei den Lärmexperten Monno dabei, spielte mit Vladislav Delay und listet eine Unzahl weiterer Bands auf, solche mit klangvollen Namen wie Ununium, Hotelgäste oder Taunus. Dresselhaus kennt man als Schneider TM sowie aus OWL-Bands wie Locust Fudge, Hip Young Things oder Sharon Stoned sowie von einer der vielen Faust-Inkarnationen und von Station 17, abermals lediglich unter anderem. Kokubo startete in Japan ihre Band Numb, wechselte nach deren Ende in Paris zu Teleferik und arbeitet nun seit über zehn Jahren von Berlin aus, vorrangig bei Krautfuzz.
Die beiden Tracks sind auf CD und auf Vinyl unterschiedlich lang – kurioserweise ist die Vinyl-A-Seite länger als der erste CD-Track, dafür fehlt der LP auf der B-Seite ein erheblicher Abschnitt. Wer mag, kann sich den kompletten Mitschnitt auch durch die psychedelische Linse gefilmt auf Youtube angucken.
Minerall – Bügeln/Strömung – Sulatron Records 2025
Zur Musik dieser beiden Minerall-Alben ist auf KrautNick bereits alles gesagt, jetzt gibt’s beide auch als CD, wenn auch als CDr, aber dafür hochwertig bedruckt und im schönen Case. In streng limitierter Auflage!