Spezial: Sulatron Records

Von Matthias Bosenick (18.12.2024)

Zwei neue Veröffentlichungen präsentiert Dave Schmidt auf seinem Label Sulatron Records: Das Live-Split-Album seiner Band Sula Bassana mit dem finnischen Trio Skyjoggers sowie die spacig-psychedelisch-progressive Reise „Le premier soleil de Jan Calet“ des Pariser Quartetts Human Teorema.

Sula Bassana & Skyjoggers – Split

Beim Festival Dazed & Spaced in der Hamburger Bar 227 im April 2024 lernten sich die Skyjoggers und Sula Bassana kennen und lieben und beschlossen aus dem Stand, Mitschnitte ihrer Auftritte dort als Split-LP herauszubringen. Auftakt Finnland: Die Skyjoggers, deren 100. Konzert dies zufällig darstellt, legen aber sowas von los! Bei dem Tempo, das die drei Musiker aus Tampere da an den Tag legen, während sie versuchen, die Erdanziehungskraft zu überwinden, kommen sie erheblich in Ekstase und lassen gelegentliche Brüller ab. Wenn das noch Spacerock sein soll, dann ist es aber Speed-Spacerock. Okay, unbenommen, die Elemente sprechen dafür, mal ein Flanger auf der Gitarre, spacige Effekte auf dem Mikro, repetitiv-monotone Patterns, das muss irgendwie Spacerock sein, aber weit weg von Punk, Metal oder Noiserock ist das hier auch nicht unbedingt. Wer nach dem Kiffen solche Musik macht, hat sich Kaffee in den Joint gebröselt.

Den extremen Energieschub halten die Finnen zwei kaum voneinander trennbare kraftstrotzende Tracks lang durch, die sie ihrem jüngsten Album „37 Steps ‘til Sunlight“ entnehmen, und fahren dann alle Maschinen sowas von komplett herunter, dass man sich wundert, es mit derselben Band zu tun zu haben. Fast zehn Minuten lang gniedeln sie sich „…From Outer Space“, und so klingt es auch. Bei den Stück handelt es sich um einen Live-Jam, den das Trio seit der Zeit ihres Debüts 2018 immer mal wieder variiert. Auch diesen zunächst enorm minimalistischen Trip ins All wuchten die drei alsbald mächtig auf, bratzen die Instrumente los und steigern die Energie, nicht hingegen das Tempo. Zur Band gehören: Gitarrist Alexi Belle, Bassist Juan Rico und Schlagzeuger Gabo Sabor.

Auf der B-Seite verewigt sich Bandchef Dave Schmidt mit seinem zur Band gewordenen Soloprojekt Sula Bassana. Die ersten zehn Minuten gehören „We Will Make It“ vom jüngsten Album „Nostalgia“, das den Erwartungen an Spacerock entgegenkommt und ausufernd im kopfnickbaren Midtempo die Effektgeräte glühen lässt. Die Musik rotiert um die Hörenden herum, Band wie Hörerschaft geraten in Trance, und das so sehr, dass aus dem Track bald mit Gebrüll ein Riffrockmonster wird, bis die Maschinen freidrehen.

Für die folgenden 13 Minuten packt Schmidt seine Orgel aus und generiert live und direkt den Jam „Come With Me“. Mit manisch-pastoraler Inbrunst predigt der Bandkopf seine Liturgie, während seine Begleitenden – Bassistin Kristina Schmitz, Schlagzeuger Franz Fesel sowie Gitarrist und Sänger Adrian Grod – allmählich Schicht um Schicht an Sounds auftürmen, zu einem dezenten Military-Beat zunächst, auf den sie dann verzerrte Saiteninstrumente errichten. Zur Hälfte übernimmt die Orgel wieder und verlagert das Stück in den Orient und die Band tritt den Beweis an, dass auch der Ferne Osten eine Raumfahrt-Region geworden ist: Es geht ins All – und bleibt dort auch.

Human Teorema – Le premier soleil de Jan Calet

Wer zum Henker ist Jan Calet? Den Typen scheint es in echt gar nicht gegeben zu haben, zumindest verweisen sämtliche Suchergebnisse zuvorderst auf dieses Stück Musik. Bei „Le premier soleil de Jan Calet“ handelt es sich um das Album-Debüt des seit 2012 existierenden Pariser Quartetts Human Teorema, das sich hier rein instrumental mit den Forschungs- und Ausgrabungsreisen befasst, die der titelgebende Jan Calet in den Neunzigern von Rom aus unternahm. So heißt es. Ein eher irdisches Thema also, doch startet die Band eher spacig: „Onirico“ kommt aus dem Nichts, gestaltet es mit klingenden Glöckchen um und hievt es bald in voller Instrumentierung auf ein Pink-Floyd-Niveau. Dort verharren Human Teorema zunächst für „Studiis“ auch, bringen in den spacigen Prog etwas Pop ein und drücken das Stück doch bald zum Lärme hin, mit sich wiederholenden Patterns und sich steigerndem Druck. Nach diesem Auftakt senkt die Band den Druck wieder ab, gleitet in einen Ambient über, versetzt den mit einzelnen Störsounds und macht sich auf in den Orient. Alsbald wird das Stück zu einem epischen Artrock mit himmelsgreifenden Melodien.

Die komplette B-Seite nimmt „Spedizione“ ein. Nach einem synthetisch-spacigen Intro fällt die gesamte Band ein, generiert einen zaghaften Artpop und lässt dann den Fuzz auf die Saiten gleiten. Diese Forschungsreise bringt Jan Calet eher ins All, der gute Mann verlässt die Erde gniedelnd. Und setzt ganz überraschend in Jamaica wieder zur Landung an: Die Passage mit dem schönen kobaïanischen Titel „Mel Haäl Oudidih“ beginnt als trippiger Dub, den die Band dann doch wieder in freidrehende psychedelische Rockmusik transferiert. Die das Quartett dann mit einer extrem reduzierten, spacigen Passage unterbricht; man bekommt den Eindruck von Stillstand, von Verharren, als suchte Jan Calet nach dem Weg, mit durch alle Effektgeräte verfremdeten Saiteninstrumenten – vermutlich Bass – herumklimpernd und kontemplativ reduziert. Es folgt die tatsächlich auf Deutsch betitelte „Erneuerung“ als beinahe radiotaugliches Poprockstück, freundlich zunächst, in die sich die Band dann aber doch wieder selbstversunken hineinsteigert und nochmal alle Gerätschaften zu einem positiven Trancerockstück aufrichtet.

Obwohl die Band bereits seit 2012 besteht, veröffentlichte sie bisher lediglich EPs und Singles, somit stellt „Le premier soleil de Jan Calet“ das Debüt-Album dar. Das Quartett besteht aus: Gitarrist und Keyboarder Tim Girerd-Hengstenberg, Bassist Alan Charron , Gitarrist Mathieu Leroy und Schlagzeuger Xabi Irigoin. Und wenn im Titel von der ersten Sonne die Rede ist, steht möglicherweise eine Fortsetzung zu erwarten.