Von Matthias Bosenick (21.12.21)
Zwei neue Electro- und Ambient-Veröffentlichungen vom Klangwirkstoff-Sublabel Separated Beats hat Labelchef Bert Olke auf seinem Zettel: die „Redirected EP“, eine Zusammenarbeit mit dem New Yorker Industrial-Urgestein Peter Missing als Hackbert, sowie die Ambient-Arbeit „Satellites“ als B. Ashra.
Peter Missing & Hackbert – Redirect EP (2021)
Da haben sich zwei gefunden: Olke trifft unter seinem Electro-Alias Hackbert auf Peter Missing, der seit 40 Jahren von New York aus Industrial kreiert, hauptsächlich mit seiner Missing Foundation. Ihre gemeinsame Arbeit ist die „Redirect EP“, die tatsächlich das Beste aus beiden Welten kombiniert, man mag es kaum glauben. Was insofern einfach ist, als dass Missing sein Industrial ohnehin elektronisch auffasst, nicht wie andere US-Amerikaner als Gitarren-Electro, er hier also grundsätzlich mit vergleichbaren Mitteln zu Werke geht wie Olke.
Zusammen werfen sie in einen Topf, was sie zu bieten haben, Flächen, minimale, beinahe sanfte Beats, Field Recordings, Drones, chillige Sounds und Sprachsamples. Das Titelstück, vorliegend in drei Versionen, ist dabei noch das clubbigste, aber kein Haudrauf-Clubzeug, sondern so chillig, wie es zum Label passt; schließlich stammt der „Robert Templa Techno Remix“ ebenfalls aus Olkes Mischpult. Sobald Missing die Oberhand hat, sind die Sounds auch mal etwas rauher, wie in „Time Is Evolution“, oder die Tracks eher beatlos von Samples dominiert, wie „Law Of One“, was noch am ehesten an klassischen europäischen Industrial erinnert, wie er weiland etwa von SPK kam. Harschen Lärm, stumpf-monotone Rhythmen oder plakative Filmsamples wie im neumodischen Gruftkinder-Industrial bekommt man hier nicht, man hat es mit zwei erwachsenen Menschen zu tun, gottlob.
Unter den verwendeten Instrumenten steht bei Missing ein Ast, was erstmal lustig zu sein scheint, aber beim besten Willen nicht herauszuhören ist – gleichzeitig leider und gut gemacht, denn das ist ebenfalls nicht plakativ, etwa einfach mit einem Stock auf irgendetwas herumgetrommelt. Aber das Material passt zur Botschaft, die die beiden Musiker mit dieser EP verbinden: „Lenke das Bewusstsein um und pflanze einen Samen“. Irgendwoher müssen die neuen Äste ja kommen, für eine Fortsetzung dieser angenehmen Kooperation.
B. Ashra – Satellites (2021)
Die drei Tracks des „Satellites“-Albums von Olkes Alias B. Ashra sind quasi überarbeitete Livestücke, die er 2017 auf dem polnischen Garbicz Festival aufführte. Hier zieht Olke sämtliche Register seines Ambient-Könnens, lässt Regenmacher und Klangstäbe ertönen, chillige Droneflächen entstehen, Zeit vergehen. Das zwölfminütige Titelstück eröffnet das Album mit einer Lust an Entspannung, mit einer Aufforderung, sich ausschließlich auf die Atmung zu konzentrieren, mit einer Abkehr von Stress und Alltag, mit der unabsagbaren Einladung zum Eskapismus, mit dem Ticket ins All – oder ins Innere, ins Ich. Hier ist wirklich nur Fläche, leicht variiert, nur dezent versetzt mit Sprachsamples oder anderen Geräuschen, so sanft, dass sie diesen virtuellen Ausflug nur vorantreiben, nicht stören.
Der Übergang zum nächsten Stück ist so fließend wie die Musik, doch bricht der Titel mit der Stimmung: „Emu In Mc Pomm“ wirft Fragen auf, wo er nicht zum Lachen animiert. Nicht so die Musik dazu, die den Kopf allmählich und behutsam über die Wasseroberfläche des Schlaftanks bringt: Glockenspiele, Rascheln, Zirpen, Chorsamples und diversen unterschwelligen Effekten, die die Spannung allmählich steigern, hin zum abschließenden „Devils Mountain“, der deutlich mehr Samples birgt, eine bedrohlichere Stimmung ausstrahlt und alsbald mit den ersten und einzigen Beats des Albums aufwartet, die das Chillige konterkarieren und die Musik sogar unerwartet tanzbar machen. Tanzen zu Regenmacher und Vogelzirpen, da geht dann nach den düsteren Samples des Stückes doch wieder die Regenwaldsonne auf. Bis das grunzende Monster zurückkehrt.
Das Konzert zum Album bietet Olke auf seiner Soundcloud-Seite komplett und unbearbeitet an, als dreieinhalbstündige Kombination zweier Gigs, nämlich dem im polnischen Garbicz und einem in Husum, beim Bachblyten-Festival. Kurios: Die drei Stücke des Albums sind zwar auch in diesem Mitschnitt enthalten, aber nicht aufgenommen in Polen, sondern eben in Husum. Dann muss Olke wohl unveröffentlichtes Material aufgearbeitet haben, damit hält der Käufer also virtuell eine Exklusivität in den Händen.