Von Matthias Bosenick (30.10.2013)
Ist es zynisch, die neuen Alben von Sepultura und Soulfly kombiniert zu behandeln? Schließlich gibt’s die eine Band nur, weil deren Sänger 1997 aus der anderen Band ausgestiegen ist. Immerhin laden sie geradezu dazu ein: Beide erscheinen nahezu gleichzeitig und beide bei Nuclaer Blast. Und beide eint, dass sie ihrem Oeuvre ihrem Genre nichts er- oder abhebend Neues hinzufügen, aber das immerhin auf gleichbleibend hohem Niveau. Es gibt thrashmetallig auf die Zwölf, und damit sowas auch gut klingt, müssen die Musiker nun mal mehr beherrschen als nur den Hammer, und streuen deshalb dankbarerweise kreatives Abseitiges in die Tracks ein. Das ist gut und macht die Alben besonders, aber, sind wir mal ehrlich, trotzdem nicht wirklich relevant.
Beide Bands sind Meister ihres Fachs. Diese Stellung zementieren sie mit ihren neuen Studioalben (für Soulfly ist es das neunte, für Sepultura das 13.). Sepultura gehörten seinerzeit zu den aggressivsten Thrash-Metallern überhaupt und machten in der Mitte der 90er den Hüpfemetal salonfähig, nur krasser und dreckiger als spätere NuMetaller. Nachdem sich Sänger Max Cavalera loslöste und Soulfly gründete, ergab dies zwei technisch höchst versierte Thrash-Bands parallel, die im Grunde ähnlich ausgerichtet waren. Sind. Sepultura sind – womöglich ist das dieses Mal dem Produzenten Ross Robinson geschuldet – in allem etwas klinischer, genauer und dichter am Death Metal als Soulfly, die mehr nach dem Dreck der Straße oder der Favelas klingen, in deren Nähe sie lange nicht mehr leben. Vor der Trennung Cavaleras etablierten Sepultura zudem indianische Tribal-Elemente im Metal; diese Experimentierfreude ist beiden zwar grundsätzlich geblieben, sie ordnen sie aber unter und reduzieren sie leider. Dennoch lockern diese gelegentlichen artfremden Elemente beide Alben auf bemerkenswerte Weise auf. Trotz allem bleibt der Eindruck, dass der Thrash-Metal lange schon kein Entwicklungspotential mehr hat. Sobald beide Bands nämlich einfach nur losbolzen, werden die Songs fast beliebig. Immerhin, eine so hohe Qualität wie diese beiden haben kaum andere Bands des Genres.
Gäste haben beide. Bei Sepultura ist etwa Schlagzeugkönig Dave Lombardo dabei, bei Soulfly sind es Mitch Harris von Napalm Death und Neil Fallon von Clutch. Was die Besetzungen betrifft, gibt es in beiden Bands nur noch jeweils ein Gründungsmitglied: Bei Sepultura ist es Bassist Paulo Jr., bei Soulfly Max Cavalera. Bruder Igor ist auch schon nicht mehr bei Sepultura; Gerüchten zufolge arbeiten die Brüder derzeit am dritten Album ihrer Cavalera Conspiracy – festhalten: mit James Murphy von LCD Soundsystem als Produzenten. Putzig ist, dass Sepulturas „neuer“ Sänger Derrick Green dort seit drei Jahren länger Sänger ist als sein deutlich prominenterer Vorgänger Max Cavalera und mit dem vorliegenden ein Album mehr mit Sepultura eingebrüllt hat als jener. Zwar hat Cavaleras Stimme mehr Charakter, trotzdem hat sich Green längst als gute, weil souveräne Wahl bewiesen. Variantenreich sind sie allerdings beide nicht. Und Max hat inzwischen offenbar einen Fetisch für Refrains, die mit einem rausgerotzten „This… Is…“ beginnen. Gemeinsam ist beiden Alben und Bands zudem, dass sie sich über das Übel in der Welt echauffieren. Das ist erfreulich und hebt sie von jenen plakativen Metalbands ab, die das Übel in der Welt ansonsten eher lobpreisen.
Noch eine Gemeinsamkeit: Beide Alben gibt es als Limited Edition, das Sepultura-Album mit DVD, das Soulfly-Album mit Bonus-Tracks. Erstaunlich daran ist: Bei Soulfly gibt es seit jeher einen nach der Band benannten und römisch durchnummerierten Instrumentaltrack, der seit dem Vorgänger-Album – wie auch hier – seltsamerweise lediglich in der limitierten Version enthalten ist.
Nerdwissen am Rande: Bei Soulfly sitzt ein gewisser Zyon Cavalera am Schlagzeug. Doch ist dies nicht die erste Veröffentlichung, an der sowohl er als auch sein Vater beteiligt sind: Sein embryonales Herzklopfen läutet das Sepultura-Album „Chaos A.D.“ von 1993 ein.