Von Matthias Bosenick (12.04.2024)
Das ist nicht einfach Postrock, das ist streckenweise Mostrock. „It’s Here, But I Have No Names For It“ bündelt eine Auswahl pandemisch entstandener Demos in ausformuliert, der Titel dazu folgt der Zen-Weisheit, dass man nicht alles benennen können muss. Zwar ordnen sich die größtenteils instrumentalen Australier Sleepmakeswaves grob im Postrock ein, was sie in epischen Tracks mit den typischen hoch flirrenden Gitarren dann auch bestätigen, rühren aber noch andere Zutaten dazu, flotten Punk, komplexen Prog, himmelstürmenden Pop, extremst groovenden Bass, druckvolle Energie, kontemplative Folklore, Synthie-Ambient und vieles mehr. Bleiben sie an einigen Stellen sehr dem Etikett verhaftet, nutzen sie diese als Aufhänger dafür, den Hörenden die Nachbarschubladen schmackhaft zu machen.
Das Album startet mit Brettern: „All Hail Skull“ (schon der Titel!) und „Super Realm Park“ streichen das P aus Postrock und ersetzen es durch ein M. Die genretypischen Merkmale bauen die Australier trotzdem ein, um wiedererkennbar zu bleiben, schieben aber mit mehr Druck voran, als es der zurückgenommene Shoegaze-Versunkenheits-Rock üblicherweise unternimmt. Schon diese Tracks bekommen Struktur, belassen es also nicht beim epischen Flächenrollen, und in „Ritual Control“ beginnt das Trio, es auf die Spitze zu treiben: Da verfällt es mittendrin etwa in einen Disco-Rhythmus. Chapeau!
Die Dämme sind gebrochen, jetzt lassen Sleepmakeswaves sämtliche Hemmungen fallen: Mit folkiger Akustikgitarre und Dreivierteltakt beginnt „Black Paradise“, um im Verlauf sogar noch Streicher drüberzugießen. „Verdigris“ ist ein Synthie-Ambient-Track mit Piano. Am Anfang von „Terror Future“ denkt man ob der epischen Heaviness, dass jetzt jemand wie Tarja Turunen übernehmen müsste, um die Nähe zum Kitsch perfekt zu machen, da setzt Sänger Otto Wicks-Green tatsächlich an, in hoher Stimmlage zu singen, zum einzigen Mal auf diesem Album überdies. Im achtminütigen Titeltrack klingt die Band zwischenzeitig nach Achtziger-Progrock wie von Marillion und im Finale „This Close Forever“ lassen sie nochmal sämtliche ihrer Eigenschaften zu Wort kommen. Nicht unerwähnt sollte bleiben, dass der Bass bisweilen mit seinem stählernen Slap an die frühen Faith No More erinnert.
Laut Bandcamp bündelt das Trio hier Demos, die es in den Zeiten der Pandemie zusammentrug, auswertete und nun auf die besten Tracks reduziert ausformulierte. Wer weiß, was da noch in den Schubladen lauert – bei den vorhergehenden Veröffentlichungen handelte es sich im Jahr 2020 um drei aufeinanderfolgende EPs, denen ein Album voranging; Sleepmakeswaves wissen also darum, viel zu veröffentlichen, da kommt bestimmt noch etwas nach. Seit 2006 besteht das Trio aus Sydney, neben dem Sänger und Gitarristen gehören dazu auf dieser Veröffentlichung Bassist und Keyboarder Alex Wilson sowie Schlagzeuger und Synthiespieler Tim Adderley. „It’s Here, But I Have No Names For It“ gilt als das fünfte Album der Band, plus Remix- und Live-Alben sowie Demos, Splits und EPs. Physikalisch lässt sich Sleepmakeswaves in der Nähe von R.E.M. einordnen, musikalisch eher nicht.