Von Matthias Bosenick (12.11.2018)
Wer seine Digipak-CD mit einem persönlich adressierten handgeschriebenen Waschzettel versehen in den Briefkasten wirft, hat schon mal jede Aufmerksamkeit. Sir Collapse aus Neuss verdienen sie aber auch akustisch: Puren Noise machen sie indes nicht, sondern schwer abgehangenen Indie-Rock mit Stoner-Einschlag. Hier dienen Monster Magnet kaum weniger als Referenz als die Foo Fighters – nur dass Sir Collapse gottlob deutlich weniger angepasst und kommerziell sind. Ihre musikalische Wucht erzeugten sie, indem sie die Musik live im Studio einspielten. Klingt nicht nach einem Debüt, da steckt mehr drin.
Vom Stoner übernehmen Sir Collapse den Fuzz im Bass, die tiefer gespielten Gitarren und das gelegentlich galoppierende Tempo, vom Indie-Rock die Nähe zu Troisdorf oder Seattle, indem sie das Laut-Leise-Schema ebenso beherrschen wie dreckige Gitarren und zwar eingängige, aber nicht oberflächlich fröhliche Melodien. Diese Melange reichern die Jungs mit überraschenden Breaks und treibenden Grooves an. Der rauhe Gesang trägt zur Radiountauglichkeit bei: Gerade weil er nicht gefällig ist, gefällt er. Zudem beherrscht das Quartett Komposition und Arrangement – die Strukturen der Songs sind divers, durchdacht und tragen immenses Nochmalhörenwollenpotential. Gut ist, dass man darin trotz möglicher Referenzen keine direkten Kopien ausmachen kann.
Wie der Waschzettel verrät, veränderte die Band für dieses Album die Aufnahmebedingungen im Vergleich zu den vorherigen Veröffentlichungen: Sämtliche Musiker waren gleichzeitig im Kölner Studio, um die Musik aufzunehmen. Das erreichte Ziel war, damit eine größere Dynamik und einen organischeren Sound zu generieren. Außerdem nutzten die Musiker die Gelegenheit, ein wenig herumzuspielen, und verwendeten Samples aus den eigenen Haushalten als Einspieler; genannt sind Eieruhr und Kinderrassel. Und die Band ließ zudem die kleinen Fehler auf den Aufnahmen, für mehr Authentizität; auch dieses Ziel ist eindeutig erreicht, zumal man Fehler gar nicht als solche ausmacht. Das Paket rund macht der Illustrator: Justin van Wickeren gestaltete mit dem Cover und dem Booklet unter dem Alias Nepomuk-Illustration als Abschlussarbeit in Kommunikationsdesign.
Sir Collapse vermeiden den „Klingt wie“-Zug, auf den Newcomer gern aufspringen, anstatt etwas Eigenes zu machen, und machen etwas Eigenes. Gottlob ist Haltung nicht alles, sondern dieses Eigene auch noch gut. Wer mehr hören will, hat noch eine EP und ein Demo zur Auswahl; gibt‘s beides wie „Walk To The Moon“ bei Bandcamp.